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Dass dies bei der Bevölkerung auf breiten Widerstand stöĂt, ist so bald nicht
zu erwarten. Nach einer Online-Befragung von etwa 2200 chinesischen Internet-
nutzern durch die Freie UniversitĂ€t Berlin begrĂŒĂten 80 % der Befragten solche
Sozialkreditsysteme, und 80 % lassen sich schon freiwillig bewerten (Kostka
2018). Die hohe Zustimmung liegt nach Ansicht der Studienleitung daran, dass
die meisten von den Systemen profitieren. Das Ergebnis ĂŒberrascht vor dem kul-
turellen Hintergrund Chinas wenig, da es nicht ĂŒber eine dem Westen Ă€hnliche
Tradition bĂŒrgerlicher Freiheiten und Privatheit verfĂŒgt. Auch im kulturell Ă€hn-
lichen Singapur, wo mithilfe eines ehemaligen amerikanischen Geheimdienst-
experten schon vor einigen Jahren ebenfalls ein auf Big-Data-Anwendungen
basierendes Super-Score-Programm installiert wurde, gibt es bei der Bevölkerung
keinen wirklichen Protest. Die Mehrheit der BĂŒrger hat die Ăberwachung als not-
wendig akzeptiert, um Terrorismus und âSelbstradikalisierungâ zu bekĂ€mpfen.
Zwischen der Bevölkerung und der Regierung gibt es einen âsozialen Kontraktâ.
Sie verzichte bewusst auf bestimmte bĂŒrgerliche Rechte und individuelle Frei-
heiten im Austausch fĂŒr grundlegende staatliche Garantien: Sicherheit, Bildung,
bezahlbare Wohnungen und Gesundheitsversorgung (Harris und Castelao 2014).
1.2.6 Die VerselbststÀndigung der Maschine: Die
ErzÀhlung vom unkontrollierbaren Auto
Zwei weitere Narrative lassen sich aus der Medienanalyse rekonstruieren, die
etwas anders gelagert sind als die Ăberwachungs-Dystopie von â1984â, aber
in der öffentlichen Diskussion ebenfalls als prÀgend anzusehen sind. Mit dem
Begriff âKĂŒnstliche Intelligenzâ verbinden sich nĂ€mlich etwas andere narrative
Elemente als mit Big Data. Eine hohe Intelligenz, die aber kĂŒnstlich ist, lĂ€sst sich
zu anderen, konkreteren Bildern verdichten als die unsichtbaren, weniger greif-
baren Big Data-PhÀnomene. Hier liegen die Kollisionen und Konflikte in dem
Bild der sich verselbststĂ€ndigenden Maschine, der auĂer Kontrolle geratenen
Roboter und autonomen Fahrzeuge. Begriffe wie âKiller-KIâ, die insbesondere fĂŒr
militĂ€rische Anwendungen verwendet werden, oder Narrative wie der âAufstand
der Maschinenâ prĂ€gen die Medientexte.
Besonders prÀgnant ist dies anhand der ErzÀhlungen von UnfÀllen mit auto-
nom fahrenden Autos zu beobachten, die im FrĂŒhjahr 2018 die Medien fĂŒllten.
Sie berichteten ausfĂŒhrlich, als beispielsweise ein Tesla gegen einen Lastwagen
prallte und der Fahrer starb oder als eine FuĂgĂ€ngerin von einem autonom fah-
renden Uber-Auto tödlich verletzt wurde. Aber auch jeder kleinere Unfall mit
1.2 Von Konflikten und Kollisionen âŠ
Die Big-Data-Debatte
Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Titel
- Die Big-Data-Debatte
- Untertitel
- Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Autoren
- Susanne Knorre
- Horst MĂŒller-Peters
- Verlag
- Springer Gabler
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-27258-6
- Abmessungen
- 15.3 x 21.6 cm
- Seiten
- 220
- Schlagwörter
- Economics, Management science, Economic policy, Motivation research (Marketing), Insurance
- Kategorie
- Informatik
Inhaltsverzeichnis
- 1 Big Data im öffentlichen Diskurs: Hindernisse und Lösungsangebote fĂŒr eine VerstĂ€ndigung ĂŒber den Umgang mit Massendaten 1
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: EinfĂŒhrung und Bestandsaufnahme 1
- 1.1.1 Nutzen und Schutz von Daten: Ăberlegungen zur Analyse eines politischen Diskurses 2
- 1.1.2 Big Data, KĂŒnstliche Intelligenz und Algorithmen: Begriffe und Konzepte in der Diskussion 4
- 1.1.3 Arten, Herkunft und Nutzer von Daten: AnnÀherung an eine Dual-Use Technologie 7
- 1.1.4 Diffuses Bild: Was bislang ĂŒber die öffentliche EinschĂ€tzung von Datennutzung erhoben wurde 12
- 1.2 Von Konflikten und Kollisionen: Big Data als Gegenstand öffentlicher Narrationen 15
- 1.2.1 Ein Narrativ wird entdeckt: âBig Brotherâ in der Kampagne gegen die VolkszĂ€hlung 1983 16
- 1.2.2 âBig Brotherâ reloaded: Die ErzĂ€hlung von Edward Snowden 18
- 1.2.3 Die Manipulation: Die ErzÀhlung von der Beeinflussung des US-Wahlkampfs 2016 20
- 1.2.4 Spione im Kinderzimmer: Die ErzÀhlung vom Verlust der PrivatsphÀre 22
- 1.2.5 Die Apokalypse: Die ErzÀhlung vom digitaltotalitÀren Staat 23
- 1.2.6 Die VerselbststÀndigung der Maschine: Die ErzÀhlung vom unkontrollierbaren Auto 25
- 1.2.7 Die globale Gier: Die ErzĂ€hlung von der Weltherrschaft der âFrightful 5â 26
- 1.3 Nutzen und Schutz von Daten des BĂŒrgers im politischen Diskurs 28
- 1.4 Vom Heldenbild des rationalen, souverÀnen Nutzers: Narrationen im politischen Diskurs 35
- 1.5 Datenethik als neues Paradigma? Handlungsangebote jenseits der Regulierung 42
- 1.6 Ordnungspolitik und Big Data: Den fairen Zugang sichern 46
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: EinfĂŒhrung und Bestandsaufnahme 1
- Literatur 55
- 2 Big Data, Data Analytics und Smart Services rund um Wohnen, Gesundheit und MobilitĂ€t: BĂŒrgerschreck und HoffnungstrĂ€ger in privaten Lebenswelten 63
- 3 Big Data: Chancen und Risiken aus Sicht der BĂŒrger 137
- 3.1 Einleitung 137
- 3.2 Datenwissen 140
- 3.3 Handlungsfreiheit 143
- 3.4 FolgeabschĂ€tzungen, Bewertung von Anwendungsfeldern und Einstellungen zu Datenschutz und Technologie (âWollenâ) 146
- 3.5 Verhalten (âHandelnâ) 160
- 3.6 Datenpolitik und Datenethik (âNeue Paradigmenâ) 169
- 3.7 Alte und neue Narrative 176
- 3.8 Neue Rollen am Beispiel der Versicherungswirtschaft 179
- 3.9 Fazit 187
- Literatur 191
- 4 Big Data: BĂŒrgerschreck und HoffnungstrĂ€ger! Zusammenfassung und Fazit 195
- 4.1 Zur Gestaltung des öffentlichen Diskurses ĂŒber Chancen und Risiken von Big Data: Die Ergebnisse im Ăberblick 196
- 4.2 Zum Nutzen von Big Data in konkreten Lebenswelten:
- Die Ergebnisse im Ăberblick 201
- Anhang 207