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Viele Nutzer haben zudem inzwischen den Ăberblick verloren, welche persön-
lichen Daten sie wem preisgegeben haben, oder sie nehmen die vorgefundene
Datenpraxis hin. In einer Umfrage von PwC nach dem Cambridge-Analyti-
ca-Skandal Ă€uĂerten 43 %, sie hĂ€tten daraufhin nichts in Bezug auf Datenschutz
unternommen, 13 % hatten den Skandal sogar ĂŒberhaupt nicht mitbekommen
(PwC 2017). Viele Nutzer gehen sorglos mit den eigenen Daten und persön-
lichen Informationen um und verraten freiwillig Vorlieben und Gewohnheiten,
wenn ihnen kleine Vorteile, wie die Teilnahme an Gewinnspielen oder Rabatte,
versprochen werden. Sogar Apps mit Persönlichkeitstests werden massenhaft
ausgefĂŒllt (Farnadi et al. S. 3). Auch wenn die Akzeptanz von Super-Scores nach
chinesischem Muster in Deutschland insgesamt nur gering ist, so findet die Idee
bei immerhin fast jedem Zehnten der Befragten Zustimmung (SachverstÀndigen-
rat fĂŒr Verbraucherfragen 2018, S. 102). Alle Furchtappelle, die von den dys-
topischen Narrativen ausgehen, haben nicht dazu gefĂŒhrt, dass sich mehrheitlich
ein vorsichtiger Umgang mit Spuren bzw. Daten im Netz durchgesetzt hÀtte.
Die Vorstellung darĂŒber, wie aus einzelnen Informationsschnipseln Persönlich-
keitseigenschaften erschlossen werden können, fÀllt schwer. So haben Wissen-
schaftler der UniversitÀt Cambridge und von Microsoft anhand der Daten von
58.000 freiwilligen US-Amerikanern gezeigt, dass sich aus den Facebook-Li-
kes mit einer Wahrscheinlichkeit von 88 % ableiten lÀsst, ob jemand homo- oder
heterosexuell ist (Kosinski et al. 2013). Anhand von standardisierten Modellen wie
dem âBig Five Personality Modelâ (Youyou et al. 2015, S. 2; Farnadi et al. 2014,
S. 2 ff.) werden ebenfalls aus Facebook-Likes spezifische Persönlichkeitsprofile
von Nutzern ermittelt. Diese Ergebnisse sind sogar besser als die im Umfeld der
Personen direkt per Fragebogen ermittelten EinschÀtzungen (Youyou et al. 2015).
Viele Nutzer glauben fĂ€lschlicherweise auch, dass Online-Daten keine RĂŒck-
schlĂŒsse auf die IdentitĂ€t zulassen. Was nicht stimmt: So konnten drei Wissen-
schaftler aus London mithilfe von Systemen maschinellen Lernens anhand der
Metadaten bei 10.000 Twitter-Nutzern jeden mit einer Wahrscheinlichkeit von
96,7 % identifizieren â ein Ergebnis, das nach Angaben der Wissenschaftler auch
bei Àhnlichen Plattformen wie Facebook erreicht worden wÀre (Borgböhmer 2018).
Informationelle Selbstbestimmung setzt jedoch voraus, dass die Menschen
bewusst, rational und selbststÀndig entscheiden, welche persönlichen Informa-
tionen sie offenbaren und wie mit ihren Daten verfahren wird. Das wird unter
den Bedingungen von Big Data immer schwieriger, wenn nicht unmöglich. Viele
geben ihr EinverstÀndnis zur Verarbeitung persönlicher Daten, ohne viel nachzu-
denken, ohne die EinverstÀndniserklÀrung ganz oder auch nur in Teilen gelesen
zu haben. Der Anspruch informationeller Selbstbestimmung im Sinne einer
1.4 Vom Heldenbild des rationalen, souverĂ€nen Nutzers âŠ
Die Big-Data-Debatte
Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Title
- Die Big-Data-Debatte
- Subtitle
- Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Authors
- Susanne Knorre
- Horst MĂŒller-Peters
- Publisher
- Springer Gabler
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-27258-6
- Size
- 15.3 x 21.6 cm
- Pages
- 220
- Keywords
- Economics, Management science, Economic policy, Motivation research (Marketing), Insurance
- Category
- Informatik
Table of contents
- 1 Big Data im öffentlichen Diskurs: Hindernisse und Lösungsangebote fĂŒr eine VerstĂ€ndigung ĂŒber den Umgang mit Massendaten 1
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: EinfĂŒhrung und Bestandsaufnahme 1
- 1.1.1 Nutzen und Schutz von Daten: Ăberlegungen zur Analyse eines politischen Diskurses 2
- 1.1.2 Big Data, KĂŒnstliche Intelligenz und Algorithmen: Begriffe und Konzepte in der Diskussion 4
- 1.1.3 Arten, Herkunft und Nutzer von Daten: AnnÀherung an eine Dual-Use Technologie 7
- 1.1.4 Diffuses Bild: Was bislang ĂŒber die öffentliche EinschĂ€tzung von Datennutzung erhoben wurde 12
- 1.2 Von Konflikten und Kollisionen: Big Data als Gegenstand öffentlicher Narrationen 15
- 1.2.1 Ein Narrativ wird entdeckt: âBig Brotherâ in der Kampagne gegen die VolkszĂ€hlung 1983 16
- 1.2.2 âBig Brotherâ reloaded: Die ErzĂ€hlung von Edward Snowden 18
- 1.2.3 Die Manipulation: Die ErzÀhlung von der Beeinflussung des US-Wahlkampfs 2016 20
- 1.2.4 Spione im Kinderzimmer: Die ErzÀhlung vom Verlust der PrivatsphÀre 22
- 1.2.5 Die Apokalypse: Die ErzÀhlung vom digitaltotalitÀren Staat 23
- 1.2.6 Die VerselbststÀndigung der Maschine: Die ErzÀhlung vom unkontrollierbaren Auto 25
- 1.2.7 Die globale Gier: Die ErzĂ€hlung von der Weltherrschaft der âFrightful 5â 26
- 1.3 Nutzen und Schutz von Daten des BĂŒrgers im politischen Diskurs 28
- 1.4 Vom Heldenbild des rationalen, souverÀnen Nutzers: Narrationen im politischen Diskurs 35
- 1.5 Datenethik als neues Paradigma? Handlungsangebote jenseits der Regulierung 42
- 1.6 Ordnungspolitik und Big Data: Den fairen Zugang sichern 46
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: EinfĂŒhrung und Bestandsaufnahme 1
- Literatur 55
- 2 Big Data, Data Analytics und Smart Services rund um Wohnen, Gesundheit und MobilitĂ€t: BĂŒrgerschreck und HoffnungstrĂ€ger in privaten Lebenswelten 63
- 3 Big Data: Chancen und Risiken aus Sicht der BĂŒrger 137
- 3.1 Einleitung 137
- 3.2 Datenwissen 140
- 3.3 Handlungsfreiheit 143
- 3.4 FolgeabschĂ€tzungen, Bewertung von Anwendungsfeldern und Einstellungen zu Datenschutz und Technologie (âWollenâ) 146
- 3.5 Verhalten (âHandelnâ) 160
- 3.6 Datenpolitik und Datenethik (âNeue Paradigmenâ) 169
- 3.7 Alte und neue Narrative 176
- 3.8 Neue Rollen am Beispiel der Versicherungswirtschaft 179
- 3.9 Fazit 187
- Literatur 191
- 4 Big Data: BĂŒrgerschreck und HoffnungstrĂ€ger! Zusammenfassung und Fazit 195
- 4.1 Zur Gestaltung des öffentlichen Diskurses ĂŒber Chancen und Risiken von Big Data: Die Ergebnisse im Ăberblick 196
- 4.2 Zum Nutzen von Big Data in konkreten Lebenswelten:
- Die Ergebnisse im Ăberblick 201
- Anhang 207