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Brother-ErzÀhlungen als wenig realistisch angesehen werden, zumindest auf
absehbare Zeit. Es erscheint deshalb sinnvoll, das Feld der Datenschutzdis-
kussion zu verlassen und einen alternativen ErzÀhlstrang zu entwickeln.
8. Denn die andere logische Alternative, die beschriebenen Paradoxien aufzu-
lösen, besteht darin, das tradierte Leitbild des aufgeklÀrt-kritischen Nutzers
mit neuen bzw. neu zu konstruierenden Narrationen zu revitalisieren, die sich
unter den Bedingungen von Big Data und KĂŒnstlicher Intelligenz als wirk-
sam erweisen können, weil sie die Denkschablonen des bisherigen Daten-
schutzrechts aufbrechen. In diesem Zusammenhang bietet das Konzept der
DatensouverĂ€nitĂ€t bzw. weiterfĂŒhrend der Datenethik geeignete Anregungen.
Das politische Narrativ des souverÀnen Nutzers wird im Datenethik-Ansatz
weiter gestĂ€rkt, allerdings sieht es fĂŒr ihn eine neue, realistischere Rolle vor,
die ihn in seinem augenblicklichen, eher unkontrollierten Nutzerverhalten
abholt. Es geht nunmehr weniger darum, den BĂŒrger und seine Daten zu
schĂŒtzen, sondern ihn dabei zu unterstĂŒtzen, dass er seine Daten gezielt zu
den von ihm gewĂŒnschten Zwecken weitergibt. Der BĂŒrger in seiner Rolle
als Nutzer digitaler Technologien ist nicht mehr ein Schutzobjekt, sondern
wird zum aktiven Datengeber, Datenspender oder gar DatenhÀndler.
9. Ordnungspolitisch motivierte Konzepte, die die Rolle des souverÀn mit sei-
nen Daten agierenden Nutzers unterstĂŒtzen, bieten auf der Makro-Ebene
relevante HandlungsansÀtze, um die Konzepte von DatensouverÀnitÀt und
Datenethik zu flankieren. Sie bieten zugleich Stoff fĂŒr zusĂ€tzliche Narra-
tive, die zur eben erwĂ€hnten neuen Rolle des BĂŒrgers als souverĂ€nen Daten-
gebers passen. Eine Daten-Allmende (âOpen Dataâ), in der Massendaten
nach definierten Regeln der Nachhaltigkeit zwischen Organisationen aller
Art geteilt werden, ist so ein Stoff fĂŒr gesellschaftlich und politisch rele-
vante ErzĂ€hlungen. Das gilt auch fĂŒr eine ErzĂ€hlung von der Zerschlagung
der Daten-Oligopolisten, die gezwungen werden, ihre Daten mit anderen zu
teilen. Noch weitergehend ist der Gedanke einer nach ethisch verantwort-
baren Zwecken differenzierten Daten-Infrastruktur, die den fairen Zugang zu
Big Data ermöglicht. Der BĂŒrger als digitaler Datengeber hinterlĂ€sst seine
persönlichen Daten gezielt fĂŒr diese Daten-Infrastruktur, die Unternehmen
sind wie schon der öffentliche Sektor im Obligo, die Datenbanken zu fĂŒllen.
Beide Konzepte sichern Wettbewerb der Algorithmen statt Wettbewerb der
Datenkraken â auch dieser Gedanke hat das Zeug fĂŒr eine neues politisches
Narrativ, das nicht in Konflikten und Kollisionen hÀngen bleibt.
10. Datenethik setzt insgesamt darauf, dass Vertrauensbeziehungen zwischen den
Akteuren unter bestimmten Bedingungen möglich gemacht werden. Deshalb
sind fĂŒr Unternehmen und andere Organisationen, deren GeschĂ€ftsmodelle
1.6 Ordnungspolitik und Big Data: Den fairen Zugang sichern
Die Big-Data-Debatte
Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Title
- Die Big-Data-Debatte
- Subtitle
- Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Authors
- Susanne Knorre
- Horst MĂŒller-Peters
- Publisher
- Springer Gabler
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-27258-6
- Size
- 15.3 x 21.6 cm
- Pages
- 220
- Keywords
- Economics, Management science, Economic policy, Motivation research (Marketing), Insurance
- Category
- Informatik
Table of contents
- 1 Big Data im öffentlichen Diskurs: Hindernisse und Lösungsangebote fĂŒr eine VerstĂ€ndigung ĂŒber den Umgang mit Massendaten 1
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: EinfĂŒhrung und Bestandsaufnahme 1
- 1.1.1 Nutzen und Schutz von Daten: Ăberlegungen zur Analyse eines politischen Diskurses 2
- 1.1.2 Big Data, KĂŒnstliche Intelligenz und Algorithmen: Begriffe und Konzepte in der Diskussion 4
- 1.1.3 Arten, Herkunft und Nutzer von Daten: AnnÀherung an eine Dual-Use Technologie 7
- 1.1.4 Diffuses Bild: Was bislang ĂŒber die öffentliche EinschĂ€tzung von Datennutzung erhoben wurde 12
- 1.2 Von Konflikten und Kollisionen: Big Data als Gegenstand öffentlicher Narrationen 15
- 1.2.1 Ein Narrativ wird entdeckt: âBig Brotherâ in der Kampagne gegen die VolkszĂ€hlung 1983 16
- 1.2.2 âBig Brotherâ reloaded: Die ErzĂ€hlung von Edward Snowden 18
- 1.2.3 Die Manipulation: Die ErzÀhlung von der Beeinflussung des US-Wahlkampfs 2016 20
- 1.2.4 Spione im Kinderzimmer: Die ErzÀhlung vom Verlust der PrivatsphÀre 22
- 1.2.5 Die Apokalypse: Die ErzÀhlung vom digitaltotalitÀren Staat 23
- 1.2.6 Die VerselbststÀndigung der Maschine: Die ErzÀhlung vom unkontrollierbaren Auto 25
- 1.2.7 Die globale Gier: Die ErzĂ€hlung von der Weltherrschaft der âFrightful 5â 26
- 1.3 Nutzen und Schutz von Daten des BĂŒrgers im politischen Diskurs 28
- 1.4 Vom Heldenbild des rationalen, souverÀnen Nutzers: Narrationen im politischen Diskurs 35
- 1.5 Datenethik als neues Paradigma? Handlungsangebote jenseits der Regulierung 42
- 1.6 Ordnungspolitik und Big Data: Den fairen Zugang sichern 46
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: EinfĂŒhrung und Bestandsaufnahme 1
- Literatur 55
- 2 Big Data, Data Analytics und Smart Services rund um Wohnen, Gesundheit und MobilitĂ€t: BĂŒrgerschreck und HoffnungstrĂ€ger in privaten Lebenswelten 63
- 3 Big Data: Chancen und Risiken aus Sicht der BĂŒrger 137
- 3.1 Einleitung 137
- 3.2 Datenwissen 140
- 3.3 Handlungsfreiheit 143
- 3.4 FolgeabschĂ€tzungen, Bewertung von Anwendungsfeldern und Einstellungen zu Datenschutz und Technologie (âWollenâ) 146
- 3.5 Verhalten (âHandelnâ) 160
- 3.6 Datenpolitik und Datenethik (âNeue Paradigmenâ) 169
- 3.7 Alte und neue Narrative 176
- 3.8 Neue Rollen am Beispiel der Versicherungswirtschaft 179
- 3.9 Fazit 187
- Literatur 191
- 4 Big Data: BĂŒrgerschreck und HoffnungstrĂ€ger! Zusammenfassung und Fazit 195
- 4.1 Zur Gestaltung des öffentlichen Diskurses ĂŒber Chancen und Risiken von Big Data: Die Ergebnisse im Ăberblick 196
- 4.2 Zum Nutzen von Big Data in konkreten Lebenswelten:
- Die Ergebnisse im Ăberblick 201
- Anhang 207