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Vor allem bei unstrukturierten Daten (z. B. Fotos, Videos, Sprache), selbst-
lernenden Algorithmen oder Blockchains ist es schwer bis nahezu unmöglich,
die normativen Vorgaben der diskriminierungsfreien DatenqualitÀt und all-
gemeiner Nachvollziehbarkeit ganz praktisch zu erfĂŒllen.
âą Die BĂŒrger wĂŒnschen sich vielleicht deshalb weiterhin eine klare Reglemen-
tierung und Regulierung durch den Staat. Dennoch ist unĂŒbersehbar, dass die
Rechtsetzung im Kontext einer dynamischen Digitalisierung bereits an ihre
Grenzen gestoĂen ist. Selbstlernenden Algorithmen mit immer diffizileren
juristischen Befehlsfolgen zum Datenschutz begegnen zu wollen, ist schon
fĂŒr sich keine wirklich einlösbare Schlussfolgerung. DarĂŒber hinaus fĂŒhrt
das eben beschriebene paradoxe Nutzerverhalten dazu, dass Regelungen z. B.
aus der EU-DSGVO, die eigentlich Wahlfreiheiten und somit Konsumenten-
souverÀnitÀt sicherstellen sollen, ins Leere zu laufen drohen.
âą Umgekehrt kann das volle Potenzial datengetriebener Services erst dann ent-
faltet werden, wenn möglichst viele Daten unterschiedlicher Quellen generiert,
auch ohne einengende Zweck- und Planvorgaben ausgewertet und miteinander
kombiniert werden. Die WirkmÀchtigkeit der Korrelationen wird sich in der
Big- Data-Dekade erst noch voll entfalten. Datensparsamkeit, Zweckbindung
von Daten und Datenlöschungen, wie sie die EU-DSGVO aus Datenschutz-
erwÀgungen verstÀndlicherweise fordern, sind vor diesem Hintergrund kontra-
produktiv. Diese gesetzlichen Regelungen stehen infolgedessen zugleich im
Widerspruch zur Entfaltung kĂŒnstlicher Intelligenz.
⹠Mit diesen Restriktionen lassen sich auch die positiven BeitrÀge von Big
Data und KĂŒnstlicher Intelligenz fĂŒr gesellschaftlich relevante Zwecke nur
unzureichend realisieren. Im Mittelpunkt stehen dabei Zwecke des Gemein-
wohls (in der angelsĂ€chsischen Diskussion heiĂt dies âsocial goodsâ). Big Data
sowohl aus öffentlicher als auch privater Hand bieten ungeahnte Chancen,
die gravierendsten Probleme der Welt nachhaltig, d. h. vor allem auf globa-
ler Reichweite, zu lösen. Das beginnt bei Klimaschutz, geht ĂŒber Gesundheit
und ErnÀhrung bis hin zu Bildung. Akzeptierte Regeln zu finden, mit denen
Zugang und Einsatz von Big Data fĂŒr Gemeinwohlzwecke erreicht werden
kann, steht deshalb international auf der politischen Agenda.
âą Die Open-Data-Bewegung ist dabei, dieses Terrain zu erobern. Die Idee
einer Daten-Allmende (âCommonsâ), in der öffentliche Massendaten nach
definierten Regeln der Nachhaltigkeit zwischen Organisationen aller Art
geteilt werden, ist ebenso faszinierend wie ganz praktisch umzusetzen, wie
dies beispielsweise offene DatenbestÀnde aus öffentlichen Verwaltungen oder
4.1 Zur Gestaltung des öffentlichen Diskurses ĂŒber Chancen âŠ
Die Big-Data-Debatte
Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Title
- Die Big-Data-Debatte
- Subtitle
- Chancen und Risiken der digital vernetzten Gesellschaft
- Authors
- Susanne Knorre
- Horst MĂŒller-Peters
- Publisher
- Springer Gabler
- Date
- 2020
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-658-27258-6
- Size
- 15.3 x 21.6 cm
- Pages
- 220
- Keywords
- Economics, Management science, Economic policy, Motivation research (Marketing), Insurance
- Category
- Informatik
Table of contents
- 1 Big Data im öffentlichen Diskurs: Hindernisse und Lösungsangebote fĂŒr eine VerstĂ€ndigung ĂŒber den Umgang mit Massendaten 1
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: EinfĂŒhrung und Bestandsaufnahme 1
- 1.1.1 Nutzen und Schutz von Daten: Ăberlegungen zur Analyse eines politischen Diskurses 2
- 1.1.2 Big Data, KĂŒnstliche Intelligenz und Algorithmen: Begriffe und Konzepte in der Diskussion 4
- 1.1.3 Arten, Herkunft und Nutzer von Daten: AnnÀherung an eine Dual-Use Technologie 7
- 1.1.4 Diffuses Bild: Was bislang ĂŒber die öffentliche EinschĂ€tzung von Datennutzung erhoben wurde 12
- 1.2 Von Konflikten und Kollisionen: Big Data als Gegenstand öffentlicher Narrationen 15
- 1.2.1 Ein Narrativ wird entdeckt: âBig Brotherâ in der Kampagne gegen die VolkszĂ€hlung 1983 16
- 1.2.2 âBig Brotherâ reloaded: Die ErzĂ€hlung von Edward Snowden 18
- 1.2.3 Die Manipulation: Die ErzÀhlung von der Beeinflussung des US-Wahlkampfs 2016 20
- 1.2.4 Spione im Kinderzimmer: Die ErzÀhlung vom Verlust der PrivatsphÀre 22
- 1.2.5 Die Apokalypse: Die ErzÀhlung vom digitaltotalitÀren Staat 23
- 1.2.6 Die VerselbststÀndigung der Maschine: Die ErzÀhlung vom unkontrollierbaren Auto 25
- 1.2.7 Die globale Gier: Die ErzĂ€hlung von der Weltherrschaft der âFrightful 5â 26
- 1.3 Nutzen und Schutz von Daten des BĂŒrgers im politischen Diskurs 28
- 1.4 Vom Heldenbild des rationalen, souverÀnen Nutzers: Narrationen im politischen Diskurs 35
- 1.5 Datenethik als neues Paradigma? Handlungsangebote jenseits der Regulierung 42
- 1.6 Ordnungspolitik und Big Data: Den fairen Zugang sichern 46
- 1.1 Big Data und Datenschutz im politischen Diskurs: EinfĂŒhrung und Bestandsaufnahme 1
- Literatur 55
- 2 Big Data, Data Analytics und Smart Services rund um Wohnen, Gesundheit und MobilitĂ€t: BĂŒrgerschreck und HoffnungstrĂ€ger in privaten Lebenswelten 63
- 3 Big Data: Chancen und Risiken aus Sicht der BĂŒrger 137
- 3.1 Einleitung 137
- 3.2 Datenwissen 140
- 3.3 Handlungsfreiheit 143
- 3.4 FolgeabschĂ€tzungen, Bewertung von Anwendungsfeldern und Einstellungen zu Datenschutz und Technologie (âWollenâ) 146
- 3.5 Verhalten (âHandelnâ) 160
- 3.6 Datenpolitik und Datenethik (âNeue Paradigmenâ) 169
- 3.7 Alte und neue Narrative 176
- 3.8 Neue Rollen am Beispiel der Versicherungswirtschaft 179
- 3.9 Fazit 187
- Literatur 191
- 4 Big Data: BĂŒrgerschreck und HoffnungstrĂ€ger! Zusammenfassung und Fazit 195
- 4.1 Zur Gestaltung des öffentlichen Diskurses ĂŒber Chancen und Risiken von Big Data: Die Ergebnisse im Ăberblick 196
- 4.2 Zum Nutzen von Big Data in konkreten Lebenswelten:
- Die Ergebnisse im Ăberblick 201
- Anhang 207