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Wie wird man Kaiserin? 31
und wird im folgenden Kapitel noch eine Rolle spielen.
Die logische Konsequenz aus dem Erwerb von Rang und Titel allein durch die Ehe
wurde dabei fĂĽr die Kaiserin ebenso eindeutig formuliert: Die Kaiserin besaĂź alle Rechte
und Privilegien ausschlieĂźlich aufgrund dieser ehelichen Verbindung55, nicht aus eigenem
Recht. Dies galt fĂĽr sie ebenso wie fĂĽr Frauen im Kontext dynastischer Herrschaft gene-
rell56, mit der Ausnahme von Erbtöchtern, die in dynastischen Krisenfällen Territorium,
Herrschaft und Privilegien erbten und an ihre Söhne weitergeben konnten. Wie weit diese
Rechte einer Kaiserin im Reich allerdings gingen, dazu gab es durchaus differente AusfĂĽh-
rungen, auf die im folgenden Abschnitt noch zurĂĽckzukommen sein wird.
Mehr oder weniger explizit rĂĽckte damit in den publizistischen Texten zugleich die ge-
nerell bedeutsame Frage der Herrschaftsbeteiligung von Frauen fĂĽr den konkreten Fall der
Kaiserin ins Blickfeld. Erneut weitgehend einhellig hielten die Juristen dazu fest, dass das
Geschlecht der Kaiserin als signifikantes Hindernis fĂĽr die AusĂĽbung umfassender Herr-
schaftsrechte zu gelten habe. Schon frĂĽh in der reichspublizistischen Diskussion beantwor-
tete etwa Daniel Otto seine Frage: „An mulier sit capax imperii?“ negativ: Frauen könnten
nach göttlichem Recht keine Herrschaft beanspruchen, habe Gott doch den Mann über die
Frau gestellt. HerrschaftsausĂĽbung sei zudem gegen die Schamhaftigkeit der Frau, die sie an
Auftritten in der Öffentlichkeit hindere; auch die nötige Stärke des Körpers, die Geduld und
Standhaftigkeit etc. – also wesentliche männliche Tugenden – seien der Frau nicht eigen57.
In seiner Argumentation folgte er damit im Wesentlichen den Grundsätzen des franzö-
sischen Staatsrechtlers Jean Bodin, der in Ottos Darlegungen wie insgesamt fĂĽr die Reichs-
publizistik mit seinem zentralen Werk „Six livres de la république“ eine herausragende
Rolle spielte58. Obgleich sich nicht alle folgenden Autoren so direkt auf Bodins Argumente
stützten wie Daniel Otto, obwohl in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stärker histo-
risch argumentiert und allgemein auf Texte zur Herrschaftsbeteiligung von Frauen59 Bezug
genommen wurde, blieb die Grundaussage doch erhalten: Kaiser und Kaiserin bildeten
als Paar eine eheliche Gemeinschaft, diese erstrecke sich jedoch nicht auf den Bereich der
Herrschaft, da das Geschlecht der Frau dies ausschlösse60.
55 Hoenonius, Disputationum Juridicarum; Bechmann, Discursus juris publici, These IX; Fritsch,
De Augusta, 34; Mollenbeck, De Augusta, 32; Mascov, Principia Juris publici, 163f.; dazu auch
knapp Hoke, Jura reservata, 476–481, hier bes. 480.
56 Keller, Frauen und dynastische Herrschaft; Wunder, Herrschaft.
57 Otto, Dissertatio iuridico-politica, 112; zum Werk siehe Stolleis, Reichspublizistik, 215f.
58 Bodin, Six livres; Opitz, Bodin, 37f., 108; zur Rezeption Bodins und der Entstehung der Reichspu-
blizistik siehe Gross, Empire, XXVIII, 1–8; Stolleis, Reichspublizistik, 174–184; sowie unten 36f.,
41f.
59 Z. B. Praetorius, Canonum Politicorum Disputatio, Canon 15.
60 Strauss, De iuribus Augustae competentibus, Kap. I §§ 6, 10 und 16; Textor, Jus Publicum, 565f.;
Spener, Teutsches Iuris Publici, 237f., 266.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
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Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Title
- Die Kaiserin
- Subtitle
- Reich, Ritual und Dynastie
- Author
- Katrin Keller
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 430
- Keywords
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Ăśberblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und KurfĂĽrsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Ăśberblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Ăśberlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- GruĂźbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- FĂĽrbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als FĂĽrsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die BegrĂĽndung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- AbkĂĽrzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427