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Die Majestas-Debatte 39
tas personalis“ dagegen dem an der Staatsspitze stehenden Individuum. Letztere konnte
(im Gegensatz zu ersterer) enden98. Damit war es möglich, einerseits dem Kaiser in Form
der personalen Majestät Souveränität zuzuschreiben, die sich aber durch das Reich kons-
tituierte, weil die Gewalt des Kaisers von der Gewalt des Reiches abgeleitet war. Personale
Majestät wurde andererseits aber ebenso allen Reichsständen zugesprochen99.
In diesem Zusammenhang ging Limnaeus auch auf die Frage ein, ob der Kaiserin Ma-
jestas zukomme bzw. ob eine Majestätsbeleidigung gegen sie möglich sei100. Er diskutierte
die beiden erwähnten Positionen, indem er zuerst festhielt, dass Mann und Frau in der
Ehe als eine Person zu betrachten wären, woraus nach römischem Recht auch resultiere,
dass der Kaiserin Privilegien wie dem Kaiser zustünden. Es gebe jedoch aus dem römi-
schen Recht keine Belege für ein Gesetz hinsichtlich der Majestätsbeleidigung gegen eine
Kaiserin. Voraussetzung für Majestas und somit für die Möglichkeit, sie durch Beleidigung
zu beeinträchtigen, waren dabei auch nach Limnaeus‘ Meinung Gesetzgebungsrechte: „Le-
gislationem verò Majestatem prae supponere, in Politicis, & Jure tralatitium est; Simili-
terque; Majestate ejusdem laesae crimen“101. Solche Rechte könne eine Kaiserin allerdings
nur beanspruchen, wenn sie im Rat zugelassen wäre, und das sei, obwohl Kaiserinnen,
wie etwa römische Beispiele belegten, durchaus von ihren Gatten um Rat gefragt worden
wären, nie der Fall gewesen. Dass die Kaiserinnen über einen Kanzler verfügten, sei kein
ausreichender Beleg für Gesetzgebungsbefugnisse, wie etwa Goldast in seiner „Reichssat-
zung“ schließe, denn es gebe keinen Hinweis darauf, dass jemals eine Kaiserin ein Gesetz
eingebracht habe. In ausdrücklicher Abgrenzung gegenüber Riemers Ausführungen ver-
neinte Limnaeus zudem die Möglichkeit, über die Kaiserin den Kaiser zu beleidigen102.
Trotz der ausführlichen Darlegung bei Limnaeus, auf den sich in der weiteren Majestas-
Debatte zahlreiche Autoren bezogen, war aber die Frage nicht endgültig entschieden. Die
von Riemer vorgetragene und von Limnaeus nicht bestrittene, mit biblischen Argumenten
untermauerte Position, dass Mann und Frau durch die Ehe eine Person würden, spielte auch
nach 1632 noch eine Rolle. Ähnliche Äußerungen findet man im Übrigen trotz der Relevanz
Bodins ebenso in der französischen staatsrechtlichen Literatur, obschon die Königin dort
selten erwähnt wurde103.
Für das Reich äußerte sich beispielsweise 1640 mit Benedikt Carpzov einer der promi-
nentesten Juristen seiner Zeit erneut zu dieser Frage: Wie Limnaeus und viele andere und
98 Hoke, Limnaeus, 99f.
99 Hoke, Limnaeus, 107, 111.
100 Limnaeus, Juris publici, 159–165.
101 Limnaeus, Juris publici, 164.
102 Limnaeus, Juris publici, 164.
103 Cosandey, Reine de France, 15f., 139–142.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
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Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Title
- Die Kaiserin
- Subtitle
- Reich, Ritual und Dynastie
- Author
- Katrin Keller
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 430
- Keywords
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Überblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und Kurfürsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Überblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Überlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- Grußbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- Fürbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als Fürsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die Begründung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- Abkürzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427