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Das Ius Primarium Precum 61
dabei insbesondere Brandenburg-Preußen sowie Kursachsen und Hannover auf – wenn
also gerade das Recht der Kurfürstin von Brandenburg bzw. Königin von Preußen in den
erwähnten Studien angesprochen und auf das Recht der Kaiserin bezogen wurde, ist ein
weiteres Mal eine Einbindung der Rechte von Fürstinnen in eine umfassendere juristisch-
politische Auseinandersetzung nachzuweisen. In der Forschung ist dies bislang ebenso we-
nig thematisiert worden wie in Hinblick auf die beiden oben angesprochenen Debatten
um die Majestas des Kaisers bzw. die Goldene Bulle.
Ein weiterer Konfliktpunkt in der Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Reichs-
fürsten kam nach dem Regierungsantritt Josephs I. 1705 hinzu, als der Kaiser wegen des
gespannten Verhältnisses zur Kurie auf eine päpstliche Anerkennung seines Rechtes der
ersten Bitte verzichtete, im Reich aber ausgiebig von der Möglichkeit Gebrauch machte,
Preces und Laienherrenpfründen zu vergeben224. Dies zog Widerstand aus den Kapiteln
selbst nach sich sowie eine Intensivierung der juristischen Debatte, in die wohl auch die
erwähnten Äußerungen zum Ius Primariarum der Kaiserin einzuordnen sind, zumal Ex-
ponenten dieser Debatte wie Georg Heinrich Ayrer225 das Recht der Kaiserin ebenfalls
erwähnten.
Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Gutachten, das zwischen 1706 und 1708
in Wien aufgrund der Weigerung der Äbtissin von Gandersheim entstand, eine kaiserliche
Bitte zu akzeptieren, und das das Privileg der Kaiserin thematisierte226. Hier wurde unter
Bezugnahme auf zahlreiche Texte der Reichspublizistik227 zunächst die Begründung der
Rechtmäßigkeit des Ius Primariarum der Kaiserin ausgeführt, wobei man ausdrücklich
festhielt, dass der Kaiser Preces für Frauenstifter sozusagen in Stellvertretung der Kaiserin
erteile: „Da er die preces vor seine persohn ad collatrices i.e. an die abtißinen niemahls
ertheilet, ohne genommene reflection auf die Keyserin nur otiosa seyn würden.“ Da aber
auch die Kaiserin ihrerseits über dieses Recht „per communicationem Imperatoris“228 ver-
füge, würden ihre Ansprüche die einer Fürstin – im gegebenen Fall wohl der Herzogin von
Braunschweig-Wolfenbüttel – in ihrer Rechtmäßigkeit übertreffen.
Erneut wird also sichtbar, dass das Recht der Kaiserin als solches nicht bestritten wurde.
Möglicherweise ist die ausgeführte Konstruktion der stellvertretenden Ausübung durch
den Kaiser auch der Grund, warum es seit dem 16. Jahrhundert keine schriftlichen Nach-
224 Feine, Erste Bitten, 74–81.
225 Und zwar auch aus Frauenstiftern, siehe Schröder-Stapper, Fürstäbtissinnen, 490–498; Ayrer,
De iure primariarum precum, 61f.
226 HHStA, Reichshofrat, Gratialia et Feudalia, Primae Preces 22, Fasz. 1, fol. 470r–473r, undat.
227 Beispielsweise auf Schweder, Introductio; Multz, Repraesentatio Maiestatis; Fritsch, De Au-
gusta; Speidel, Speculum; Textor, Jus publicum; Strauch, Institutionum Iuris Publici.
228 HHStA, Reichshofrat, Gratialia et Feudalia, Primae Preces 22, Fasz. 1, fol. 470v, 472v.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
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Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Title
- Die Kaiserin
- Subtitle
- Reich, Ritual und Dynastie
- Author
- Katrin Keller
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 430
- Keywords
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Überblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und Kurfürsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Überblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Überlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- Grußbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- Fürbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als Fürsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die Begründung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- Abkürzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427