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Schluss 63
generellen Tendenz juristischer Stellungnahmen gelten, informelle Einflussstrukturen zu
diskreditieren231: Da die Kaiserin Handlungsmacht eben nicht durch eigene Rechte, son-
dern aufgrund ihrer dynastischen Position erlangte, agierte sie außerhalb eines von Juristen
als rechtmäßig definierten Rahmens.
Die Relevanz der Entwicklung des Heiligen Römischen Reiches zum Wahlreich232 für
die Herrschaftsrechte der Kaiserin wurde im Zusammenhang mit Aussagen der Goldenen
Bulle zur Möglichkeit der Regentschaft einer Kaiserin schon im 17. Jahrhundert verschie-
dentlich thematisiert233. Auf die Konsequenzen des Wahlreiches für die Handlungsmacht
von Kaiserinnen rekurrierte etwa 1688 ausdrücklich Gottfried Strauss: „Nullam habet
potestatem & Majestatem, qvia imperium nostrum Romano-Germanicum est Regnum
Electitium, in qvo illud ipsum esset indecens atqve inconveniens.“234 Aber erst nach 1720
wurden die Konsequenzen des Wahlmodus dezidierter angesprochen; vermutlich waren
es nicht zuletzt Debatten im Zusammenhang mit dem sich abzeichnenden Aussterben der
Habsburger in männlicher Linie und der sich damit stellenden Frage, wie mit dem Kaiser-
tum zu verfahren sei, die sich hier niederschlugen. Das legt vor allem Mosers Feststellung
zu dieser Frage nahe:
„Das Frauenzimmer ist zwar durch kein Reichs-Gesez von der würcklichen Kayserlichen
Würde und Regierung ausgeschlossen; doch werden die Chur-Fürsten wohl niemalen eine
Person dises Geschlechts zu Ihrem und des Reichs Oberhaupt erwählen: Dahero auch An.
1741 und 1745 an Seiten Oesterreich keine Anregung deßwegen geschehen ist; ob gleich die
damalige Umstände sonst Gelegenheit darzu an die Hand gegeben hätten.“235
Daniel Otto und Nikolaus Hieronymus Gundling hatten die Frage, ob eine Frau Kaiser
sein könne, früher schon ebenfalls abschlägig beschieden, und zwar ebenso mit dem dezi-
dierten Hinweis auf das Geschlecht, das die Wählbarkeit unterbinde236.
Dass der Status des Wahlreiches weitergehende Folgen für die Rolle der Kaiserin hatte,
wurde damit in der Reichspublizistik erst spät explizit formuliert, und erst um die Mitte
des 18. Jahrhundert wurden ihre Handlungsspielräume und Rechte insofern historisiert,
als Wahlstatus und der Verlust von Privilegien einer „consors regni“ direkt miteinander
231 Stollberg-Rilinger, Kommentar, 251.
232 Fößel, Von gots gnaden, 33f.; Götzmann, Realität, 353; Schneidmüller, Inszenierungen und
Rituale, 272.
233 Buschmann, Rezeption, 191f.; Riemer, Decades Quaestionum, [419]; Fritsch, De Augusta, 69f.
234 Strauss, De iuribus Augustae competentibus, Kap. V § 1.
235 Moser, Neues Teutsches Staatsrecht, 34.
236 Otto, Dissertatio iuridico-politica, 111–114; Gundling, Gründlicher Discours, 280f.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
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Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Title
- Die Kaiserin
- Subtitle
- Reich, Ritual und Dynastie
- Author
- Katrin Keller
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 430
- Keywords
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Überblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und Kurfürsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Überblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Überlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- Grußbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- Fürbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als Fürsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die Begründung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- Abkürzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427