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1612: Der Neuanfang 107
Kurfürstenrates an, der wie gesagt am 23. Juni darüber verhandelte und sein Placet gab, also
zwischen der Wahl Matthias‘ und dessen Krönung am 24. Juni 1612. In der Korrespondenz
des Fürstabts von Fulda, der zunächst kein Interesse an einer Reise nach Frankfurt zeigte,
wurde die geplante Krönung der Kaiserin zuerst am 15. Juni erwähnt175. Erst am 21. Juni 1612
machte er sich als Erzkanzler derselben auf, nachdem sein Abgesandter ihm aus Frankfurt
geschrieben hatte, der „Herr Bischoff zu Wienn, Herr Glesell [habe] innen anheut auch
diese wortt angemeldet, Will mein herr zu Fulda dero stiffts regalia erhalten, so mögen sie
sich, weilen iro Maytt. der Keyserinnen crönung, nechsten montags geschehen würdt, ehest
einstellen“176.
Da der Fürstabt aufgrund einer Erkrankung die Reise abbrechen musste, erschien dann
lediglich der Fuldaer Kapitular Balthasar Schenk zu Schweinsberg, der auf Geheiß des Fürst-
abtes die Rechte Fuldas im Kontext der Königinnenkrönung umgehend geltend machte.
Dies habe Khlesl, so der Bericht an den Abt, zunächst
„mit ungestimmigkeit abgeschlagen, erstlich vorgebend, daß ein gemeiner schluß gemacht
daß kein gesandter zu den personalibus actibus sui domini soll zugelassen werden, vnd das
exempel der brandenburgischen gesandten vnß vorgeworffen. Dagegen wir repliciret, eß
sey diuersa ratio, dann das brandenburgisch erbcammerer ampt sey von Brandenburgk,
in casum absentiae oder impedimenti, den Grauen von Hohenzollern vererbt. Hie seye
dergleichen contradictor nit, vnd das impedimentum principalis am tag, müsse also der
gesandte zugelassen werden. Seyen dazu die brandenburgische gesandten nit gantz außge-
schlossen, sondern per vices zugelassen worden. Zum andern mahl fährt der herr Bischoff
herauß, der Kayßer woll seine Kayßerin durch keinen münch crönen laßen, wann aber der
Abbt zur stett were, würd er zugelassen.“177
Am folgenden Tag in der Kirche aber wurde Schweinsberg dann doch zur Mitwirkung
aufgefordert, konnte die Funktion des Erzkanzlers bei der Krönung ausüben und so die
reichsrechtliche Stellung des Fürstabtes und des Stiftes im Ritual vollziehen.
Die hier nur auszugsweise wiedergegebene Debatte um die Mitwirkung des Fürstabtes
von Fulda macht neben der relativ kurzen Vorbereitungsdauer vor allem den Wunsch der
kaiserlichen Seite nach Beteiligung ranghoher Repräsentanten des Reiches an der Krönung
der Kaiserin sichtbar. Dabei trat Khlesl als zeremonieller Spiritus Rector noch einmal deut-
lich in Erscheinung, der eine ranghohe Beteiligung als rituelle Selbstvergewisserung des
Kaiserhauses mit deutlichen Worten zu befördern suchte. Andererseits lässt der Bericht der
175 HLAM, 90 Nr. a 320 I, fol. 12r, 18r.
176 Ebenda, fol. 38r/v.
177 Ebenda, fol. 100v–101r.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
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Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Title
- Die Kaiserin
- Subtitle
- Reich, Ritual und Dynastie
- Author
- Katrin Keller
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 430
- Keywords
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Überblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und Kurfürsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Überblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Überlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- Grußbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- Fürbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als Fürsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die Begründung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- Abkürzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427