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Schluss 155
Damit wird die eingangs zitierte pointierte Feststellung von Barbara Stollberg-Rilinger,
nach der die Kaiserinnenkrönung in erster Linie eine Inszenierung der kaiserlichen Hofge-
sellschaft gewesen sei361, in eine andere Perspektive gestellt, denn ihre Einschätzung greift
nach dem eben Ausgeführten zweifellos zu kurz: Zwar war die Gestaltungsmacht insofern
erst einmal auf kaiserlicher Seite, als hier darüber entschieden wurde, ob eine Krönung über-
haupt stattfinden solle. Die notwendige Stellungnahme des Kurfürstenrates sowie dessen
zunehmend ausgedehnte Ansprüche auf Mitwirkung sprechen jedoch gegen eine dezidierte
Trennung. Die Krönung der Kaiserin war auch in der Frühen Neuzeit kein rein höfisch-kai-
serliches Event, sondern gerade nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges griffen die Kur-
fürsten deutlich gestaltend ein. Zunächst stand dabei die Auslegung des Fuldaischen Privilegs
über die Rechte des Erzkanzlers im Mittelpunkt. Aber 1690 beanspruchten die anwesenden
Kurfürsten die Krönung der Kaiserin als „actus proprius electoralis“, also als einen den Kur-
fürsten zustehenden Akt, und 1742 erhob der Kurfürstenrat erfolgreich den Anspruch, über
alle zentralen „functiones“ direkt zu entscheiden. Gerade angesichts der nach 1663 nach un-
ten zeigenden Konjunkturkurve kurfürstlicher Präeminenz362 nutzte man hier ein Feld, auf
dem sich Handlungsfähigkeit und Präeminenz immer noch performativ umsetzen ließen.
Möglichkeiten des Kaisers, als zeremonieller Regisseur im Kontext der Kaiserinnenkrö-
nung in Erscheinung zu treten, waren zwar aufgrund fehlender Reichsgesetze und fixierter
Regelungen in größerem Maße gegeben als bei seiner eigenen Krönung. Es ist aber nicht
davon auszugehen, dass deshalb nur die zeremoniellen Regeln des kaiserlichen Hofes gal-
ten, vielmehr ließ sich in vielerlei Hinsicht nachweisen, dass die Logik der Reichsordnung
bei der Kaiserinnenkrönung weitreichende Gültigkeit hatte. Dies gilt in Hinblick auf die
Rolle der Kurfürsten als Mitgestalter, auf die Wahrung der Rechte von Erb- und Erzäm-
tern im Ablauf ebenso wie die Umsetzung der Ordnungen des Zutritts oder des Sitzens
und Gehens. Für die Beteiligten sowohl aus dem Reichskontext wie für die Amtsträgerin-
nen und Amtsträger des kaiserlichen Hofes blieb sie eine der Gelegenheiten, bei denen vor
der Öffentlichkeit des Reiches Rang und Stand dargestellt und hergestellt werden konnten
– insofern war die Kaiserinnenkrönung also immer auch Aufführung des Reiches und
nicht nur eine höfische Inszenierung von kaiserlichen Gnaden oder eine Chance zu kaiser-
licher Herrschaftslegitimation363.
Die Kaiserinnenkrönung im Heiligen Römischen Reich hatte eine Tradition, die vom
10. bis ins 18. Jahrhundert reichte, aber diese ging über die Kontinuität zentraler ritueller
Elemente nicht hinaus. Sie wurde in der Frühen Neuzeit von einer Vielzahl von Akteuren
mitgestaltet, unter denen neben Kaiser und kaiserlichen Räten einerseits, den Kurfürs-
361 Stollberg-Rilinger, Des Kaisers Kleider, 190.
362 Gotthard, Säulen des Reiches, 847.
363 So Rudolph, Krönung, 316f.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
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Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Title
- Die Kaiserin
- Subtitle
- Reich, Ritual und Dynastie
- Author
- Katrin Keller
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 430
- Keywords
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Überblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und Kurfürsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Überblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Überlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- Grußbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- Fürbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als Fürsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die Begründung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- Abkürzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427