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den 1620er Jahren die Nähe des Kaisers gesucht, sich jedoch zunächst enttäuscht wieder
abgewandt. Als er aber 1631 Truppen gegen Gustav Adolf von Schweden ins Reich sendete,
besetzten französische Truppen das Herzogtum Lothringen und zwangen den Herzog An-
fang 1634 zur Abdankung178.
Eigene dynastische Bindungen bewogen die Kurfürstin also zu einer Fürbitte bzw. zur
Übermittlung von Informationen. Als Gemahlin des engsten kaiserlichen Verbündeten
im Reich konnte sie auf Gehör in Wien hoffen, zumal die Kaiserin ihrerseits in diesem
Konflikt Partei gewesen sein dürfte: Eleonora Gonzaga war über ihre älteste, 1632 verstor-
bene Schwester Margarita die Tante der beiden angesprochenen Prinzessinnen Nicole und
Claudia von Lothringen. Letztere hielt sich nach ihrer Eheschließung 1634 mit Nikolaus
Franz von Lothringen, dem jüngeren Bruder Karls IV., über etliche Jahre in Wien in der
Nähe der Kaiserin auf, wo ihr Sohn Karl geboren wurde, der später bedeutende kaiserliche
Feldherr. Ob also Fürsprache oder Verwandtschaft den Ausschlag gaben, bleibt dahinge-
stellt – die Kaiserin nahm sich zumindest einer der Prinzessinnen an.
Nur wenig früher hatte sich mit Wolfgang Wilhelm von Pfalz-Neuburg auch ein an-
derer Vertreter des Hauses Wittelsbach an Kaiserin Eleonora Gonzaga gewendet. Dieser
nutzte seine Konversion 1613 und die Heirat mit einer Schwester Herzog bzw. Kurfürst
Maximilians I. von Bayern zum Lavieren zwischen protestantischem und katholisch-habs-
burgischem Lager. Wiederholt hielt sich der Herzog in Wien auf und war also zweifels-
ohne persönlich mit der Kaiserin bekannt. Ungeachtet geschickter Neutralitätspolitik des
Pfalz-Neuburgers wurden seine Territorien vom Krieg im Reich natürlich in Mitleiden-
schaft gezogen. Im Frühjahr 1632 nahm er Gelegenheit, die Kaiserin mehrfach auf den
traurigen Zustand seiner Länder hinzuweisen, den Eleonora Gonzaga in einem höflichen
Brief sehr bedauerte und ihm versicherte, dass sie „wo es nur die möglichkeit zulast, daß
ich zuselbigen ende alle möglichiste guete befürderung iederzeit ganz angelegenlich einzu-
wenden ingedenckt sein würde.“ Dazu äußerte sie die Hoffnung, dass bald wieder ruhigere
und geordnetere Zeiten anbrechen mögen, wenn der Pfalzgraf und die anderen Stände des
Reiches in ihren Anstrengungen fortführen179.
In seinem Antwortschreiben ging Wolfgang Wilhelm noch einmal auf den schlimmen
Zustand des Herzogtums Neuburg nach Abzug der bayerischen und kaiserlichen Truppen
ein und äußerte die Besorgnis, dass auch das Herzogtum Berg am Niederrhein demnächst
von Verwüstungen betroffen sein werde. Er habe deshalb Kaiser Ferdinand II. geschrieben
und bitte diesen, das Herzogtum von Einquartierungen zu verschonen. Zusätzlich möge
doch die Kaiserin bei ihrem Gemahl „erbitten helffen das solch ferner vnheil von mir vndt
178 Babel, Zwischen Habsburg und Bourbon.
179 LANRWD, Jülich-Berg II Nr. 3130, fol. 5r/v, 25.03.1632.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
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Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Title
- Die Kaiserin
- Subtitle
- Reich, Ritual und Dynastie
- Author
- Katrin Keller
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 430
- Keywords
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Überblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und Kurfürsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Überblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Überlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- Grußbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- Fürbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als Fürsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die Begründung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- Abkürzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427