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FĂĽrbitten 291
genĂĽber der Ă„btissin auftrete. UnterstĂĽtzt wurde ihr Anliegen durch eine entsprechende
FĂĽrsprache Kaiser Leopolds I. selbst, der nur zehn Tage nach seiner Gemahlin ein eigenes
Empfehlungsschreiben fĂĽr Maria Elisabeth von Pfalz-ZweibrĂĽcken nach Herford sendete,
weil man ihn „von glaubwürdigen ohrten“ über die Qualitäten der Kandidatin unterrich-
tet habe193. Konsequenz der doppelten BefĂĽrwortung aus Wien war, dass die Ă„btissin der
Pfalzgräfin die Ernennung zur Koadjutorin zusagte, sobald ihre Konflikte mit der De-
kanissin beigelegt seien. Ob die kaiserliche FĂĽrsprache dabei allein ausschlaggebend war,
muss hier dahingestellt bleiben; offenbar waren auch die Verbindungen der Kandidatin
nach Stockholm interessant fĂĽr Sophie Charlotte, die sich Vorteile von einer FĂĽrsprache in
Schweden erwartete194.
Die Kaiserin intervenierte hier also in einer komplexen territorialpolitischen Interessen-
lage, und die Ă„btissin brauchte UnterstĂĽtzung aus Wien und aus Stockholm in verschie-
denen Feldern. Höchstwahrscheinlich bewegte Eleonora Magdalena ihren Gemahl, eben-
falls direkt zugunsten der Pfalzgräfin Position zu beziehen. Eine Bezugnahme auf das Ius
primariarum precum, das Recht, nach ihrer Rangerhöhung zur Kaiserin in Reichsstiftern
einen Vorschlag für die Besetzung einer Stelle zu äußern195, lässt sich jedoch nicht erkennen.
Allerdings war Kaiserin Eleonora Magdalena im Jahr zuvor auch in einem Konflikt um
das Stift Quedlinburg direkt zur UnterstĂĽtzung der Stiftsdamen aufgerufen worden196; dies
und weitere Beispiele legen nahe, dass man Kaiserinnen wohl allgemein einen gewissen
Stellenwert als SchĂĽtzerin der reichsunmittelbaren Damenstifter zuschrieb. Damit enga-
gierte sie sich zugunsten einer wichtigen Klientel des Kaiserhauses im Reich197 – im Falle
Herfords ohne Erfolg, denn Pfalzgräfin Maria Elisabeth wurde zwar Stiftsdame in Herford,
konvertierte aber wenig später und trat schließlich ins Kloster Maubuisson ein, wo eine
andere Pfälzerin Äbtissin war198. Wenn man aber bedenkt, dass Kaiserin Eleonora Magda-
lena sowohl zu Lebzeiten ihres Gemahls wie als Witwe als FĂĽrsprecherin von Kandidaten
bei Bischofswahlen im Heiligen Römischen Reich auftrat199, so war es wohl weniger das
193 LANRWM, Herford, Nr. 242, unpag., 26.03. 1698; siehe das Konzept in HHStA, Reichskanzlei,
Geistliche Wahlakten 15a, unpag.
194 Dies verdeutlichen Schreiben der Pfalzgräfin und ihres Beauftragten, siehe LANRWM, Herford,
Nr. 242, unpag., 22.04. bzw. 21.04./1.05.1698 aus Bremen.
195 Siehe oben 58–62.
196 Schröder-Stapper, Fürstäbtissinnen, 41, 477.
197 Stollberg-Rilinger, Maria Theresia, 168f.
198 Bei der Wieden, Dekanessen; Garms-Cornides, Spirituelle Prägung, 36.
199 Z. B. HHStA, Lothringisches Hausarchiv, Karton 7, Fasz. 3, darin mehrere Briefe wegen der strit-
tigen Bischofswahl in Münster, z. B. fol. 11r/v, 7.02.1707, fol. 14r–15r, 9.04.1707; ebenda, Familien-
korrespondenz A 32/3, Register, fol. 203r/v wegen der Bischofswahl in Eichstätt 1704; Familien-
korrespondenz A 32/3, Register, fol. 20r–21r, 44r–45r wegen der Wahl in Osnabrück 1698.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
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Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Title
- Die Kaiserin
- Subtitle
- Reich, Ritual und Dynastie
- Author
- Katrin Keller
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 430
- Keywords
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Ăśberblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und KurfĂĽrsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Ăśberblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Ăśberlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- GruĂźbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- FĂĽrbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als FĂĽrsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die BegrĂĽndung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- AbkĂĽrzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427