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320 Handlungsfelder
eren Untersuchung jedes einzelnen Falles. Sicher ist aber, dass ein entsprechendes
Recht der Kaiserin, wie es bereits für die mittelalterlichen Kaiserinnen nachgewiesen
worden ist, auch im Untersuchungszeitraum nie in Zweifel gezogen, vielmehr von Per-
sonen sowohl der habsburgischen Erblande wie aus dem Reich regelmäßig aufgerufen
wurde. Wechselseitige Fürsprachen317 spielten als Handlungspotential nicht zuletzt in
der Beziehung zur Herkunftsdynastie eine erhebliche Rolle, wie das Beispiel der Für-
bitten von Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg besonders deutlich zeigt. Dass die
Kaiserin im Reich als Protektorin (etwa von Geistlichen und Klöstern) und als Patro-
nin (etwa von Amtsträgern und fürstlichen Familien) in Erscheinung trat, zeigt freilich
nicht nur ihre Handlungsspielräume an. Man darf davon ausgehen, dass sich dadurch
zugleich zusätzliche Optionen für den Kaiser ergaben, wie dies hier für die Regent-
schaft von 1711 angedeutet werden konnte, als die Beziehung der Kaiserin-Witwe zu
ihrem kurfürstlichen Bruder gezielt genutzt wurde. Freilich bedürfte dieser Aspekt wei-
terer, vertiefter Untersuchung.
Das Reich als höfisch-dynastischer Raum318 war für die Kaiserinnen besser zugänglich
als das Reich als institutionelles Gebilde. Das zeigte sich nicht zuletzt im einzigartigen Fall
der Regentschaft 1711: Legitimität und Handlungsmacht in Bezug auf das Heilige Römi-
sche Reich erhielt hier die Kaiserin-Witwe als Regentin für ihren abwesenden Sohn, nicht
als Witwe des verstorbenen Kaisers. Vor diesem Hintergrund entwickelte sie für ihr Regie-
rungshandeln durchaus eigene Vorstellungen, die sie im Zusammenwirken, gegebenenfalls
aber auch in Auseinandersetzung mit den habsburgischen Amtsträgern und Karl III./VI.
umzusetzen suchte. Dabei war ihr die Kaiserwahl ein besonderes Anliegen; Eleonora Mag-
dalena betrachtete sie als dynastischen Auftrag, als Sicherung der Interessen ihres Hauses,
des Hauses Habsburg. Zu diesem Zweck versuchte sie auch, die Potentiale ihrer „anderen“
Dynastie, des Hauses Pfalz-Neuburg, zu instrumentalisieren, insbesondere über das Enga-
gement ihres kurfürstlichen Bruders.
Wenn es die Funktion des Hauses Habsburg als kaiserlicher Dynastie war, die den
Kaiserinnen Handlungsspielräume auch über die Grenzen der Erblande hinaus eröffnete,
dann wäre auch danach zu fragen, ob und inwieweit sich hier die Einflussmöglichkeiten
einer Kaiserin von denen einer Kurfürstin oder Reichsfürstin unterschieden – erlaubten
Rang und Einfluss des kaiserlichen Hauses ein räumlich wie inhaltlich breiteres Hand-
lungsspektrum? Die räumliche Ausdehnung etwa der Korrespondenznetzwerke von Fürs-
tinnen unterschiedlichen Ranges legt dies nahe; allerdings könnte erst eine vertiefte ver-
gleichende Untersuchung sicheren Aufschluss zu dieser Frage geben.
317 Zur wechselseitigen Abhängigkeit in Patronagebeziehungen siehe etwa Topolski, Patronage.
318 Zu diesem Selbstverständnis der hochadligen Familien siehe etwa Ruppel, Verbündete Rivalen,
57–60, 73.
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
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Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Title
- Die Kaiserin
- Subtitle
- Reich, Ritual und Dynastie
- Author
- Katrin Keller
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 430
- Keywords
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Überblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und Kurfürsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Überblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Überlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- Grußbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- Fürbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als Fürsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die Begründung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- Abkürzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427