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328 Kaiserin und Reich: Schluss
Blieb den Kaiserinnen spätestens seit der Goldenen Bulle die Wahrnehmung von
Regentschaften im Reich selbst verwehrt, so zeigte das Fallbeispiel der Regentschaft der
Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena während des Interregnums 1711 doch auch gezieltes
Handeln in Hinblick auf das Reich. Dabei beschränkten sich ihre Kompetenzen auf den
ersten Blick auf die habsburgischen Erblande, doch war die Kaiserwahl 1711 trotzdem eines
der wichtigsten politischen Ziele, die sie in den Monaten nach dem Tod ihres ältesten
Sohnes Joseph I. verfolgte. Stellvertretend fĂĽr den Erben Karl VI. nahm sie zudem dessen
reichsfĂĽrstliche Verpflichtungen wahr. Freilich war es aber eben nicht ihr Rang als Kaise-
rin, sondern ihre dynastische Stellung als Mutter des Thronanwärters und als Witwe, die
die Basis der Regentschaft bildete. Deren Grenzen zeigten sich auch und gerade durch
das Agieren der beiden Reichsvikare – einer davon der Bruder der Regentin – und der
KurfĂĽrsten. Dass die Kaiserin-Witwe in diesem Zusammenhang ihre dynastischen Ver-
bindungen zum KurfĂĽrsten von der Pfalz offensiv zugunsten ihres Sohnes nutzte, schĂĽtzte
sie nicht vor Verdächtigungen hinsichtlich ihrer dynastischen Loyalität zwischen Sohn und
Bruder und illustriert die Fragilität praktischer Herrschaftsausübung im Falle einer Re-
gentschaft.
Diese Grenzen und die Angreifbarkeit weiblicher HerrschaftsausĂĽbung fĂĽhren wieder
zur geschlechtlichen Markierung von Herrschaft, die von den Zeitgenossen zweifellos pri-
mär als männlich aufgefasst wurde. Sowohl im Reichsstaatsrecht wie im Ritual der Krö-
nung, im Zeremoniell wie in Charakteristika medialer Kommunikation trat dies zutage.
Die Kopplung von Herrschaftsrechten und Dynastie hatte allerdings zur Folge, dass FĂĽrs-
tinnen im Reich (und mit ihnen die Kaiserin) trotzdem politisch handlungsfähig blieben,
solange das Wohl des Hauses, der Dynastie, dies rechtfertigte. Die monarchische Prägung,
die zweifellos die Politik auch im Wahlreich mitbestimmte, weil sie dessen Institutionen
ergänzte und flankierte, verlieh Männern und Frauen als Repräsentanten von Dynastien
Handlungsfähigkeit.
Wenn man also akzeptiert, dass das Heilige Römische Reich mehr war als seine Institu-
tionen, dann hat das Begriffspaar „Kaiserin und Reich“, mit dem Einleitung und Schluss
dieses Buches überschrieben wurden, sehr wohl seine Berechtigung, nämlich dann, wenn
man das Reich auch als dynastischen Verbund nicht gleichrangiger, aber doch miteinan-
der verbundener Herrscherfamilien betrachtet, wenn man die Funktionalität personaler
Netzwerke für die Reichspolitik akzeptiert, die neben den Herrschaftsträgern des Reiches
auch höfische Amtsträger und adlige Familien in den verschiedensten Konstellationen
miteinander verbanden, und wenn man die politische Relevanz von Ritual und Zeremo-
niell konzediert – kurz, wenn man die frühneuzeitliche Struktur des Politischen ins Kalkül
zieht. Denn eben diese Felder waren es, in denen das Amt der Kaiserin und diese selbst als
ranghöchste Reichsfürstin eine Rolle spielte. Handlungsmöglichkeiten ergaben sich für sie
https://doi.org/10.7767/ 9783205213383 | CC BY 4.0
© BRILL Österreich GmbH Böhlau Verlag, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien
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Die Kaiserin
Reich, Ritual und Dynastie
- Title
- Die Kaiserin
- Subtitle
- Reich, Ritual und Dynastie
- Author
- Katrin Keller
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21338-3
- Size
- 17.4 x 24.5 cm
- Pages
- 430
- Keywords
- Heiliges Römisches Reich, Kaiserin, Kulturgeschichte, Geschlechtergeschichte, Krönung
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Kaiserin und Reich: Einleitung 9
- An mulier sit capax imperii? Die Reichspublizistik zur Rolle der Kaiserin 21
- Ăśberblick 22
- Wie wird man Kaiserin? 29
- Inhaltliche Schwerpunkte der Reichspublizistik 36
- Die Majestas-Debatte 36
- Der Rang der Kaiserin: Die Diskussion um die Goldene Bulle 42
- Juribus singularis: Privilegien und Rechte der Kaiserin 47
- Welche Rechte hat die Kaiserin? 48
- Die Erzämter 53
- Das Ius Primariarum Precum 58
- Schluss 62
- Die Krönung der Kaiserin im Heiligen Römischen Reich der Frühen Neuzeit 65
- Der rituelle Ablauf 68
- Traditionen: Die Krönung im Mittelalter 68
- Der Ablauf der Krönung 71
- Ritual und Geschlecht 82
- Die Kaiserinnenkrönung als Inszenierung des Reiches: Konstellationen und Konflikte 86
- Kaiser und KurfĂĽrsten 87
- 1612: Der Neuanfang 103
- 1630: Die Verlegenheitslösung 110
- 1637: Kaiserin und Königin 114
- 1653: Kompetenzen und Präzedenzen 122
- 1690: Zeremonialkonflikte 133
- 1742: Abgesang? 142
- Schluss 153
- Kaiserinnen in den Medien 157
- Kaiserinnen in gedruckten Medien: Ein Ăśberblick 160
- Eigenständige Publikationen 161
- Chronikwerke 171
- Zeitungen 178
- Die Krönung als Medienereignis 181
- Medienformen 183
- Die Krönungsbeschreibungen 191
- Texte und Bilder 200
- Die mediale Präsenz der Krönungen im Vergleich 225
- Die Kaiserin in aller Munde? Die Geburt des Thronfolgers 1716 226
- Lucerna abscondita: Wie gedenkt man einer Kaiserin? 232
- Schluss 241
- Handlungsfelder 245
- Kaiserliche Repräsentation: Audienzen 248
- Audienzen beim Reichstag 1653 252
- Audienzen in Wien 254
- Dauer und Gegenstand von Audienzen 258
- Audienzen für reichsständische Diplomaten 261
- Netzwerke: Korrespondenzen 268
- Zur Ăśberlieferung 268
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (I) 271
- GruĂźbriefe und Courtoisieschreiben 273
- Jenseits von Korrespondenzen: Patenschaften und Damenorden 277
- FĂĽrbitten 279
- Das Korrespondenzregister Kaiserin Eleonora Magdalenas (II) 279
- Die Kaiserin als FĂĽrsprecherin: Beispiele 284
- Die Regentin: Kaiserin-Witwe Eleonora Magdalena und die Kaiserwahl 1711 297
- Die BegrĂĽndung der Regentschaft 300
- Zum Selbstverständnis der Regentin 304
- Die Kaiserwahl als Aufgabe 309
- Schluss 319
- Kaiserin und Reich: Schluss 323
- Anhang 331
- Die Königinnen und Kaiserinnen der Frühen Neuzeit 331
- Aufenthalte von Königinnen bzw. Kaiserinnen „im Reich“ (ca. 1550 bis 1745) 332
- Korrespondentinnen und Korrespondenten von Kaiserin Eleonora
- Magdalena im Heiligen Römischen Reich 1697–1705 334
- Verwendete Darstellungen der Reichspublizistik 337
- Ungedruckte und gedruckte Krönungsbeschreibungen 344
- Tabellenverzeichnis 354
- Abbildungsverzeichnis 355
- AbkĂĽrzungsverzeichnis 356
- Quellenverzeichnis 357
- Literaturverzeichnis 367
- Gedruckte Quellen und Editionen 367
- Mehrfach zitierte Onlineressoucen 377
- Literatur 378
- Personenregister 410
- Ortsregister 427