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Einführung10
im eigenen Land als auch verwandte Sprachinseln in anderen Staaten gefährden
dieses Konzept von einer Nation in einem Staat mit einer Sprache und einer Kul-
tur. Am deutlichsten tritt diese Auffassung von nationaler Literatur als schöpferi-
sche Leistung eines Volkes wohl in der berühmten Storia della letteratura italiana von
Francesco De Sanctis zu Tage, welche zeitgleich mit dem Abschluss der politischen
Einigung Italiens 1870 –71 erscheint.
Die italienische Literatur außerhalb Italiens genießt erst wieder in der Litera-
turwissenschaft des ausgehenden 20. Jahrhunderts zunehmend ihre verdiente Auf-
merksamkeit, sobald nämlich die kulturelle Analyse der verschiedenen Formen des
äußeren und inneren Postkolonialismus an Bedeutung gewinnt. Imperialismus und
Nationalismus werden in gleicher Weise für die kulturelle Entfremdung der außerhalb
und innerhalb des staatlichen Territoriums Unterdrückten oder Marginalisierten
verantwortlich gemacht und als ideologische Konstrukte entlarvt. Damit eröffnet
sich auch ein neuer Blick auf den Begriff der Nationalliteratur, welcher zunehmend
als Hindernis für die Beschäftigung mit der Vielfalt der Kultur und ihrer Geschichte
in Erscheinung tritt. Fragen nach der eventuellen nationalen Zugehörigkeit einer
aus einem anderen Kulturkreis zugewanderten Autorin oder eines in einer transna-
tionalen Sprache schreibenden Autors lenken den Blick auf die historischen Formen
von internationaler Kulturproduktion: auf Latein und in der ‚Volkssprache‘ schrei-
bende Humanisten werden in ihrem gesamten Schaffen entdeckt, in anderen Regio-
nen wirkende Dichter als Bestandteil der eigenen Tradition akzeptiert und Vorgänge
der kulturellen Migration als bereichernd anerkannt. Nach dem noch auf ganz
Europa ausgerichteten, lateinischen Mittelalter (vgl. dazu den programmatischen
Titel von Ernst Robert Curtius: Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter. Bern
1948) strebt die italienische Literatur unter der spirituellen Führung von Dante
Alighieri ab dem 14. Jahrhundert nach der Begründung einer spezifisch eigenen Tra-
dition auf der Basis einer erst zu definierenden Sprache, wie das in Dantes De vulgari
eloquentia abgehandelt wird. Der parallel dazu entstehende und sich im Laufe des
15. Jahrhunderts über ganz Europa ausbreitende Humanismus wird die erste große
Außenwirkung dieser Bestrebungen darstellen, wodurch eine kulturelle Vormacht-
stellung Italiens begründet wird, die über die Schäferdichtung und den Marinismus
bis an den Beginn des 17. Jahrhunderts verteidigt werden kann. Die nachfolgenden
Modelle der spanischen, französischen und englischen Literatur variieren im Sinne
von imitatio und aemulatio die aus Italien empfangenen Einflüsse, ohne sie wesentlich
in Frage zu stellen.
In den historischen Überblicken der jüngeren Forschung wird diesen vielfältigen
Rezeptionsströmen durchaus Rechnung getragen. In dem von Luciano Formisano
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549