Page - 43 - in Die italienische Literatur in Österreich - Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Image of the Page - 43 -
Text of the Page - 43 -
43Enea
Silvio Piccolomini in Wien
terkunde, beinhalte. Selbst die schulische Nachahmung der antiken Komödien
(Plautus, Terenz) vermag viel zur Sprachbeherrschung des Redners und zur Cha-
rakteranalyse der beteiligten Personen beizutragen. Das nachahmenswerte Vorbild
für Herzog Sigmund sollten die Kinder des Markgrafen von Mantua sein, für deren
Erziehung Vittorino da Feltre mit seiner berühmten Casa Giocosa45 verantwortlich
war: „Für die adlig-fürstliche Erziehung seien in jedem Fall die antiken Bildungsin-
halte grundlegend. Maxime sollte sein, nicht allein dem Gemeinwesen zu dienen,
sondern zugleich die literarischen Studien zu pflegen. Denn wer aus seiner Bildung
schöpft, ist am besten zur Lenkung des Staates geeignet.“46
Über diese Darlegung der pädagogischen Werte hinaus sieht Bauer einen äußerst
pragmatischen Aspekt der Regionalpolitik in diesem Brief, der ab 1460 auch in der
deutschen Übersetzung durch Niklas von Wyle (Translatzen Nr. 10) weite Verbrei-
tung findet: „Enea wollte seinen jugendlichen Adressaten durch die ganze Reihe von
Beispielen humanistischer Fürstenerziehung dazu bringen, sich abermals sechs Jahre
lang unter die Vormundschaft Friedrichs III. zu beugen.“47
Über die ideologische und politische Nützlichkeit des Humanismus, welche sich
beispielhaft in der doppelten Entschlüsselung dieses Briefes als pädagogische Dis-
sertation und als politische Intervention manifestiert, äußert sich Piccolomini aus-
drücklich nochmals in seinem Brieftraktat De origine progressuque sacri imperii vom
März 1446 an Kaiser Friedrich III.
In der zweiten bedeutenden pädagogischen Schrift Piccolominis, De liberorum
educatione von 1450,48 wird ebenfalls der rex litteratus als Inbegriff des florentinischen
humanitas-Ideals von Coluccio Salutati mit seiner Verbindung von doctrina (= litera-
rische Bildung) und virtus (= moralische Aufrichtigkeit) zum erstrebenswerten Ziel
jedes Herrschers erkoren. Die Kernpunkte des Erziehungsprogramms sollen daher
die literarische und moralphilosophische Bildung, ein würdevolles Benehmen und
die religiöse Unterweisung sein. Schon mittelalterliche Autoren haben auf diese
Notwendigkeit hingewiesen: „Zur Erfüllung seiner künftigen Aufgaben benötigt ein
adeliger Knabe vor allem eine gute Erziehung, denn ansonsten (nach dem Polycra-
ticus des Johannes von Salisbury) ist ‚ein ungebildeter König nichts anderes als ein
gekrönter Esel‘. Der Herrscher muß sich seinen politischen Aufgaben in gleichem
Maße widmen wie dem Studium der Philosophie.“49
45 Vgl. Gregor Müller: Mensch und Bildung im italienischen Renaissance-Humanismus. Baden-Baden
1984, S. 322.
46 Arnold: Enea Silvio als Erzieher, S. 146.
47 Bauer: Enea Silvio Piccolomini, S. 89.
48 Vgl. die nützliche inhaltliche Zusammenfassung in Müller: Mensch und Bildung, S. 120f.
49 Arnold: Enea Silvio als Erzieher, S. 147.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549