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53Enea
Silvio Piccolomini in Wien
ter des Mannes, denn in seinem Versteck geht er in sich und begreift seinen liebes-
tollen Leichtsinn:
Quis me huc venire compulit, nisi levitas mea? Nunc deprehensus sum, nunc infa-
mis fio, nunc Caesaris gratiam perdo. Quid gratiam? Utinam mihi vita supersit!80
Die viel größere Standfestigkeit der Frau gibt Anlass zu einem zweideutigen Kom-
mentar ganz in der Tradition von Boccaccio:
Vide audaciam mulieris! I nunc et feminis credito.81
Wie in den Novellen des Decameron bieten derart kontrastreiche Stellen mit ihren
psychologischen Analysen den eigenen Erwägungen des Publikums über die geschil-
derten Verhaltensweisen Raum und führen zu eben der unterhaltsamen Belehrung,
welche zum Programm der Gattung gehört. Piccolomini ist ohne Zweifel ein pro-
funder Kenner der Werke Boccaccios, an welchen er ebenso wie an den antiken Vor-
bildern (Ovid, Seneca) seinen Stil geschult hat.
Bei der Abreise des Kaisers aus Siena möchte Lucretia von ihrem geliebten Eu-
ryalus mitgenommen werden, was dieser aber ablehnt auf Grund gesellschaftlicher
Zwänge, die aus seiner Stellung bei Hof und seiner Karriere resultieren. Allein zu-
rückgelassen, wie einst Dido von Aeneas, stirbt sie aus Liebeskummer. Worauf der
Autor abschließend seinen belehrenden Kommentar an Sozzini und das Publikum
abgibt:
Quem qui legerint, periculum ex aliis faciant, quod sibi ex usu fiet, nec amato-
rium poculum bibere studeant, quod longe plus aloes habet quam mellis.82
Wie sehr Piccolominis Zeitgenossen diese Geschichte geschätzt haben, stellt Eric
John Morrall in seiner Ausgabe fest: „The Historia de duobus amantibus of Æneas
Silvius Piccolomini was one of the most popular stories of the Renaissance.“83 Als
Briefnovelle 1444 geschrieben, zirkuliert sie zuerst als Handschrift und wird dann zu
80 Nur mein Leichtsinn konnte mich verleiten, hierher zu kommen. Jetzt ertappen sie mich, und ich verliere
meine Ehre und das Wohlwollen des Kaisers. Was sage ich Wohlwollen? Wenn ich nur mit dem Leben
davonkomme! (S. 58 –59)
81 O die Frechheit der Weiber! Man kann ihnen nicht trauen. (S. 60 – 61)
82 Ihre Leser aber mögen sich daran zu ihrem eigenen Nutz und Frommen ein Beispiel nehmen und den
Becher der Liebe nicht zu trinken verlangen, denn er enthält weit mehr Bitternis als Süße. (S. 11–115)
83 Piccolomini / Wyle: The Tale of Two Lovers, S. 35.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549