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Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen
Frühaufklärung102
zur Wiener Universität, hier u.a. zu Thomas Ebendorfer, und zu Italien, was sich in
einer festen Verankerung der Reform von Subiaco in Melk niederschlug.“194
Die gegenreformatorischen Aktivitäten italienischer Mönche in den österreichi-
schen Ländern haben ihr bedeutendstes Vorbild ohne Zweifel im Wirken von Gio-
vanni da Capistrano (1386–1456), der als einer der populärsten Prediger des Fran-
ziskanerordens ausgedehnte Missionsreisen durch Süddeutschland, Österreich,195
Böhmen, Mähren, Schlesien, Polen und Ungarn unternimmt. Er sieht seine Haupt-
aufgabe zunächst in der Bekehrung der Hussiten und sodann in einem Aufruf zum
Kreuzzug gegen die osmanischen Herrscher, die um die Mitte des 15. Jahrhunderts
in Kernbereiche des Balkans vorstoßen.
Nach einem festlichen Empfang predigt Giovanni da Capistrano in Wien täglich
vom 7. Juni bis zum 27. Juli 1451 in Anwesenheit zahlreicher Vertreter der Univer-
sität und einer großen Volksmenge.196 Seine von einem Simultanübersetzer beglei-
teten lateinischen Predigten, die – wie aus Auszügen in den von Zuhörern verfassten
Nachschriften ersichtlich – zum Teil spezifisch theologische Themen (z.B. Angriffe
auf Positionen des Konzils von Basel) beinhalten, hinterlassen einen derartigen Ein-
druck bei der Wiener Bevölkerung, dass ein am nordöstlichen Pfeiler des Nordcho-
res der Kathedrale von Sankt Stephan angebrachter, früher innerhalb des Friedhofes
befindlicher Predigtstuhl seither die Bezeichnung Kapistrankanzel trägt.
Am Ende seines Lebens wirkt Giovanni da Capistrano vor allem im Königreich
Ungarn, wo er 1456 unter Johann Hunyadi aktiv an der erfolgreichen Verteidigung
von Belgrad gegen die Türken teilnimmt. Kurz darauf stirbt er in Ilok (Kroatien).
Wie symbolträchtig die Figur dieses Predigers in Zentraleuropa bleibt, illustriert
die Stiftung einer Capistran-Kapelle in der Wiener Franziskanerkirche 1624 durch
die Grafen Hoyos, die zu den bedeutendsten Exponenten der Gegenreformation im
österreichischen Adel zählen.
Durch die Verbreitung der lutherischen Reform verlieren die seit dem Mittelalter
in Österreich angesiedelten Orden ziemlich rasch ihre Verwurzelung in der Bevölke-
rung und müssen gegen einen massiven Rückgang ihres Nachwuchses ankämpfen.
Selbst als die von Giovanni da Capistrano heraufbeschworene Bedrohung durch die
osmanische Expansion 1529 in der ersten Belagerung von Wien zur Realität wird,
erfolgt keine Umkehr mehr in der zunehmenden Ablehnung der mittelalterlichen
194 Joachim Knape: Petrarcas Brief über die Definition des Lebens (Sen. XI,11) in einer Melker Überset-
zung des 15. Jahrhunderts. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 122.3 (1993),
S. 312–327, hier S. 315.
195 So z.B. 1451 nach Eggenburg und Gloggnitz in Niederösterreich.
196 Die Universität Wien im Mittelalter. Beiträge und Forschungen von Paul Uiblein. Hg. von Kurt Mühl-
berger und Karl Kadletz. Wien 1999, S. 416f.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549