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Die italienische
Improvisationskomödie160
die klar hervorgeht: Die Mitwirkenden sind als Bewohner verschiedener italienischer
Gebiete verkleidet (Rom, Genua, Neapel) bzw. treten in den Kostümen von Gratia (=
Dottor Graziano), Pantalone und Zani auf. In welchem Ausmaß die italienische Sprache
am Kaiserhof präsent ist, illustriert der Hinweis des Chronisten, dass die größte ko-
mische Wirkung der einzelnen Figuren von ihrem regionalen Dialekt ausgeht, wofür
sie dann vom Kaiser ihrem Stand gemäß beschenkt werden (Pantalone bekommt einen
venezianischen Kristallbecher; Zanni einen Teller voll Magegeroni).345 Das Fest schließt
mit einem gigantischen Feuerwerk und einem Turnier im Burghof, bei welchem die
jeweils vier Diener der 33 Teilnehmer als Zani verkleidet sind.
In der Forschung wird immer wieder über den eigentlichen Charakter dieser
Aufführung diskutiert, weil ihre Zugehörigkeit zu einer Gattung nicht eindeutig zu
klären scheint und daher die Frage offen bleiben muss, ob es sich um die erste Oper
in Wien oder aber um eine Improvisationskomödie mit ungewöhnlich ausgearbei-
teter Musikbegleitung handelt.346 Jedenfalls scheint die Nähe dieser Komödie zu
Giovanni Battista Andreinis Opernlibretto La Ferinda (1622), in welchem ebenfalls
Sprachvarianten als komische Elemente eine große Rolle spielen, sehr groß.347
Während Kaiser Ferdinand II. zur Krönung seines Sohnes im November 1627
in Prag die Veranstaltung eines Turniers in Auftrag gibt, wählt seine Gemahlin Ele-
onora als Gegenstück für den Abend im großen Hofsaal des Prager Schlosses eine
wesentlich modernere festliche Darbietung, nämlich eine musikalische Komödie,
vermutlich mit dem Titel Calisto et Arcade, deren Inhalt Passagen aus den Metamor-
phosen von Ovid paraphrasiert und deren zwei Intermedien die vier Elemente sowie
Tag und Nacht zum Gegenstand haben. Der gedruckte Bericht von der Krönung
spricht von einer Pastoral Comaedia, in der einschmeichelnde männliche und weib-
liche Stimmen mit Begleitung von Saiten- und Schlaginstrumenten in italienischer
Sprache die Abenteuer von Jupiter und Kallisto besingen.348 Die Musik stammt ver-
mutlich von dem Hofkapellmeister Giovanni Valentini oder aber von dem Sänger
Lodovico Bartolaia,349 die Inszenierung von dem Florentiner Giovanni Battista Pie-
roni, der ab 1623 in Böhmen als Festungsarchitekt tätig ist und eben in jenem Jahr
das Palais des Fürsten Wallenstein auf der Kleinseite von Prag errichtet.
345 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof, S. 590.
346 Vgl. Hadamowsky: Barocktheater am Wiener Kaiserhof, S. 10f., und Seifert: Die Oper am Wiener Kai-
serhof, S. 26–28.
347 Herbert Seifert: Die Comoedie der Hof=Musici 1625: Die erste Oper in Wien? In: Studien zur Musikwis-
senschaft 42 (1993), S. 77–88.
348 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof, S. 432, 595f. – Claudia Böhm: Theatralia anläßlich der Krönun-
gen in der österreichischen Linie der Casa d’Austria. Diss. Wien 1986, S. 155f.
349 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof, S. 28f., 283f.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549