Page - 174 - in Die italienische Literatur in Österreich - Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Image of the Page - 174 -
Text of the Page - 174 -
Die italienische
Improvisationskomödie174
gleichzeitig ein Sprachspiel mit Austria erlaubt) zu führen, ermöglicht dem Librettis-
ten die Darstellung einer bunten Folge von wahrhaft absurden Aktionen, welche in
ihrem Ablauf die Spieltechniken der lazzi der Improvisationskomödie verwenden.
Der von Minato in seinen Faschingsopern als Transformation des Pantalone so
unterhaltsam karikierte Philosoph bleibt bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts eine
beliebte Gestalt des Wiener Musiktheaters, was z.B. L’Esopo von Marc’Antonio Zi-
ani beweist. In dieser im Fasching 1703 am Hof aufgeführten Tragicomedia per Musica
findet sich neben dem im Titel genannten Autor die aussagekräftige Gestalt eines Fi-
losofo faceto, Seruo di Xanto, Filosofo Sciocco, womit der Selbstbetrug der Weisheit auf den
beiden Ebenen der Herrschaft und der Diener auf unterschiedliche Weise lächerlich
gemacht wird. Ebenso leben die von der Maske des Zanni und seinen Nachfolgern
abgeleiteten Dienerfiguren in zahlreichen Varianten weiter: z.B. in L’Alceste von Donato
Cupeda (1699) ein Bloco, Servo di Corte, oder in Griselda von Apostolo Zeno (in der ers-
ten Fassung Venedig 1701, 1725 in Wien wieder aufgenommen) ein Elpino, servo faceto.
Mit Minatos Nachfolgern als kaiserliche Hofdichter an der Wende zum 18. Jahr-
hundert beginnt das Modell des venezianischen Librettos, das – wie erwähnt – zwei
Handlungsebenen (eine ernste tragische für die Mächtigen und eine komische all-
tägliche für die Diener) vorsieht, schrittweise in den Hintergrund zu treten. Un-
ter dem Eindruck der klassischen französischen Tragödie, welche das Prinzip der
Vernunft in der dargestellten Handlung und jenes der puristischen Dämpfung im
sprachlichen Ausdruck verfolgt, vollzieht das italienische Musikdrama in Wien ab
Apostolo Zeno eine zunehmende Trennung des seriösen und komischen Genres,
wodurch die für barocke Formen so typische Brechung der Dramatik durch die
buffo-Einlagen bis zur Generation von Lorenzo Da Ponte verschwindet.
Bemerkenswert scheint aber, dass parallel zu dieser Entwicklung die deutschspra-
chigen Spaßmacher in den volkstümlichen Bearbeitungen der musikdramatischen
Libretti, die eine mit großem Erfolg ausgebeutete Quelle für die Wanderbühne dar-
stellen (vgl. das folgende Kapitel), die Funktion der italienischen Harlekine über-
nehmen. Als Beispiel sei hier nur das 1697 mit der Musik von Antonio Draghi und
Leopold I., sowie der Ballettmusik von Johann Joseph Hoffer am Hof aufgeführte
Musikdrama L’Adalberto ovvero La Forza dell’astuzia femminile von Nicolò Minato
oder Donato Cupeda383 genannt. Der dort auftretende komische Diener namens
Bleno, der getreu in die zur Zeit der Uraufführung veröffentlichte deutsche Über-
383 Die Zuschreibung dieses an sich für Minato typischen historischen Dramas über einen Stoff aus der Lan-
gobardenzeit, den der Autor bei Erycius Puteanus (Historia cisalpina VI.10) gefunden hat, bleibt nach
aktuellem Stand der Forschung offen.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549