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Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im
Barock200
mussten sich stets in diesem kulturellen Feld beweisen, bestätigen und über-
trumpfen.422
Darüber hinaus verfolgt der Hof durch dieses Auftreten seiner führenden Vertreter
ebenso das Ziel einer repräsentativen Wirkung nach innen, durch welche das sozi-
ale Gefüge mit seiner ausgefeilten Hierarchie den Mitgliedern des Hofes selbst und
natürlich den Untertanen als solide und effektvoll vermittelt werden soll. Die mög-
lichst prachtvolle Darstellung der Spitze der höfischen Pyramide erstrebt durch eine
solche Affirmation der bestehenden Verhältnisse eine Motivation für Untergeord-
nete, bis zu den Möglichkeiten ihres Standes aufzusteigen, sowie eine bewundernde
Resignation der breiten Masse, welche fern jeder Hoffnung auf Teilnahme an diesen
Festen oder auf Annäherung an diese Sphären sich im reflektierenden Glanz als den-
noch privilegierte Untertanen begreifen sollen.
Neben der den öffentlichen Raum beherrschenden Architektur, den die höfi-
schen Säle schmückenden Bildenden Künste, der die Veranstaltungen umrahmen-
den Musik und der zur Spiegelung des Protokolls beitragenden Choreographie
kommt der Literatur innerhalb dieses repräsentativen Systems eine besondere Rolle
zu. Als Wortkunst transportiert sie ja neben dem ästhetischen Eindruck der klang-
vollen Rede immer auch einen Sinngehalt, der in einer verschlüsselten Erzählung
von Inhalten besteht, die im Rahmen einer innerliterarischen Tradition sich auf
außerliterarische Verhältnisse übertragen lassen. Im Sinne einer derart deutlichen
Funktionalität der höfischen Repräsentationsliteratur erweitert sich ihre poetische
Konzeption, in der die Botschaft wesentlich aus der Form besteht, jetzt um die
ebenso wichtige Komponente des Kontextes, auf welchen sich literarische Form und
Inhalt beziehen.
Die Enkomiastik, welche je nach Epoche in den entsprechenden literarischen
Gattungen die Institutionen und Herrscherpersönlichkeiten eines Gebietes preist,
manifestiert sich in Österreich während des 17. Jahrhunderts in Form von pane-
gyrischen Gedichten, die zu feierlichen Anlässen die exemplarischen Eigenschaften
der im Mittelpunkt stehenden Person würdigen. Häufig deklariert sich die Funktion
422 Karl Vocelka: Die Stadt und die Herrscher. In: Peter Csendes / Ferdinand Opll (Hg.): Wien. Geschichte
einer Stadt. Band 2: Die frühneuzeitliche Residenz (16. bis 18. Jahrhundert). Hg. von Karl Vocelka und
Anita Traninger. Wien / Köln / Weimar 2003, S. 13–45, hier S. 13. Vgl. auch Theophil Antonicek: Die
Vollendung des Barock im Zeitalter der höfischen Repräsentation. In: Rudolf Flotzinger / Gernot Gru-
ber (Hg.): Musikgeschichte Österreichs. Bd. 2. Graz 1979, S. 17–71. – Theophil Antonicek: Musik und
italienische Poesie am Hofe Kaiser Ferdinands III. Wien 1990. – Herbert Seifert: La politica culturale
degli Asburgo e le relazioni musicali tra Venezia e Vienna. In: Maria Teresa Muraro (Hg.): L’opera itali-
ana a Vienna prima di Metastasio. Florenz 1990, S. 1–15.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549