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Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im
Barock244
Bevor der kaiserliche Hof zu Ostern 1681 wieder nach Wien zurück kehrt, wird in
Linz am Gründonnerstag, den 3. April, vor dem Hl. Grab in der Kapelle Eleonoras
Minatos Le cinque piaghe di Cristo wiederholt.
Neben Wiederholungen einiger Werke in der Fastenzeit 1682 und dem anony-
men Oratorium L’Huomo infermo moribondo wird am Gründonnerstag, den 26. März
1682, in der Kapelle Eleonoras Il terremoto. Rappresentatione sacra von Minato mit der
Musik von Draghi gespielt.501 Neben den üblichen biblischen Gestalten sind darin
vor allem die allegorischen Figuren von Il Lume della Scienza und Il Lume della
Fede bemerkenswert, welche am Schluss der Gespräche darauf hinweisen, dass der
Mensch ebenso vor dem Zorn Gottes zittern sollte, wie die Erde nach der Kreuzi-
gung Christi gezittert hat, weil auch er aus Erde ist.
Während sich das osmanische Heer bereits auf dem Balkan sammelt, werden
während der Fastenzeit 1683 in Wien in der Kapelle Eleonoras die Oratorien Il Tri-
onfo di Davidde des als Sänger am Kaiserhof beschäftigten Paolo Castelli (1633–85)
in der Vertonung des Librettisten selbst502 und vermutlich das anonyme Sant’Elena
mit der Musik von Pederzuoli aufgeführt, sowie Davide prevaricante e poi pentito von
Orsini wiederholt. Weiters wird das von Draghi vertonte, nur handschriftlich über-
lieferte Oratorium All’ingresso di Cristo nel deserto dargeboten, dessen Autor sich als
Un’anima devota bezeichnet, womit vielleicht Leopold I. gemeint ist.503
Am Gründonnerstag wird vor dem Hl. Grab in der Kapelle Eleonoras Minatos
La sete di Christo in croce. Rappresentatione sacra mit der Musik von Pederzuoli gespielt.
Darin vernehmen die um das Kreuz versammelten biblischen Gestalten (La B.ma Ver-
gine – S. Gio. Battista – Maria Maddalena – Nicodemo – Gioseffo d’Arimathia) die
Klage des dürstenden Gekreuzigten, der trotz der Schöpfung und der vollbrachten
Wunder nun durch Menschenhand leidet. Es stellt sich im Laufe der Gespräche her-
aus, dass er eigentlich nach den Tränen der Menschen dürstet, die nach ihm trauern.
Am Karfreitag, den 16. April 1683, setzt Minato in der Hofburgkapelle mit
L’eternità soggetta al tempo. Rappresentatione sacra in der Vertonung von Draghi die
Reihe seiner philosophischen Libretti fort: Es handelt sich wieder um eine theologi-
sche Debatte, in welcher neben L’Huomo Penitente vor allem einige, unterschied-
liche Phänomene der Zeit vertretende allegorische Figuren (Il Tempo – L’Eternità –
L’Inverno – La Primavera – L’Estate – L’Autunno – Il Giorno – La Notte – Trè hore
501 Beide Werke werden 1687 wiederholt.
502 Das Werk wird 1714 in einer Vertonung von Carlo Agostino Badia wieder aufgeführt.
503 Vgl. auch die auf 1654 datierte Handschrift ÖNB Cod. Ser. n. 4.270 Oratorio per la Settimana Santa,
welche ebenso Leopold I. zugeschrieben wird (K. K. Hofbibliothek: Ausstellung von Habsburger-Cime-
lien. Wien 1908, S. 39, Nr.256).
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549