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327Faschingsopern
Verzweiflung versucht Chilonida sich zu vergiften, doch die in Begleitung Teopom-
pos zurückgekehrte Amaltea kann sie mit Hilfe der Pflanze Moly retten.
Am 21. April 1709 wird das Werk zum Geburtstag von Kaiserin Amalie Wilhel-
mine leicht gekürzt, aber mit drei Einlagearien von Joseph I. wieder aufgenommen
und kurz darauf drei Mal wiederholt (14., 22. und 29. 1. 1710). Zu Singspielen über-
arbeitete Versionen werden in Regensburg (Die getreue Spartanerin Chilonida, 1711,
vermutlich von Heinrich Rademin) und in Rudolstadt (Chelonida oder die standhafte
Treue, 1751, Text eines gewissen Klest vertont von Georg Gebel) gespielt.
Für die etwas außerhalb des Konzepts liegende Programmierung von Chilonida
spricht auch die Tatsache, dass Minato am 27. Februar 1677 seine Serie von Fa-
schingsopern über die lächerlichen Deformationen von Philosophen mit Il silentio di
Harpocrate. Drama per musica in der Vertonung durch Draghi und J. H. Schmelzer zu
den Balletteinlagen von Domenico Ventura fortsetzt. Diese dreiaktige Oper über die
allzu große Nachsichtigkeit eines Herrschers, deren Stoff vermutlich auf Plutarchs
Biographien basiert, behandelt das im Titel genannte Schweigen, welches der Phi-
losoph Harpocrate als größte Tugend bezeichnet und wofür er besonders von den
Ägyptern verehrt wird. Am Hofe von Gelanore, Rè degli Argiui wird jeglicher Brief-
wechsel oft von unbefugten Personen gelesen. Weiters entstehen, vor allem im pri-
vaten Bereich, durch unvorsichtiges Reden Konflikte, welche noch zusätzlich durch
eine Spaßmacherfigur in der Tradition der Commedia dell’arte (Limaco, Discepolo
goffo d’Harpocrate) karikiert werden. Harpocrate klärt den König am Ende über
alle diese Vorgänge auf und führt ihm die Nützlichkeit eines mahnenden Wortes
zum richtigen Zeitpunkt vor. Er erläuert in der letzten Szene, dass Schweigen unter-
schiedliche Gründe haben kann und nach diesen beurteilt werden sollte:
Si tace spesso il Vero, il Giusto.
Fà tacer l’Intesse,
L’Amicitia. Si tace
L’error del Dipendente,
Jl Merto del Riuale. (S. 97)
Auch bei diesem Werk handelt es sich wieder um ein Schlüssellibretto, denn histo-
rische Quellen berichten über Intrigen und entsprechende Vorfälle bei Hof (wie die
Einsicht unbefugter Personen in Dokumente), über die der Kaiser allzu gutmütig
hinwegsieht.592
592 Seifert: Die Oper am Wiener Kaiserhof, S. 267.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549