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Die italienische Aufklärung in
Österreich452
Allerdings wird die herausragende Position des Herrschenden bereits weniger als
jene eines weltlichen Vertreters der göttlichen Ordnung und ihres Schutzauftra-
ges verstanden, zu dessen Machtentfaltung auch das höfische Fest dient, sondern
im Sinne der Frühaufklärung mit der mühevollen Verpflichtung des obersten Die-
ners des Staates verknüpft, dessen Herrschaft ihm keine Muße vergönnt, so dass
für ihn Unterhaltung und Repräsentation im Fest zusammen fallen. Die dargebo-
tenen Werke sollen daher in gleicher Weise dem Auftraggeber lehrreiche Bezüge
zur Geschichte als Lehrmeisterin der Regierenden und maßvolle Unterhaltung als
Ausgleich für seine schwere Regierungslast bieten, so wie sie das geladene Publikum
an diesen übermenschlichen Dienst des Herrschers und seine Position innerhalb der
Menschheitsgeschichte erinnern:
Es fällt auf, daß von den Libretti, die Metastasio in den ersten zehn Jahren sei-
nes Wirkens in Wien schrieb (Demetrio, Issipile, Adriano in Siria, L’Olimpiade, De-
mofoonte, La clemenza di Tito, Achille in Sciro, Ciro riconosciuto, Temistocle, Zenobia,
Attilio Regolo), bei jenen, die für den Namenstag des Kaisers bestimmt waren, die
Titelhelden männliche historische Persönlichkeiten sind, also ein direkter Ver-
gleich mit dem Herrscher von vornherein angestrebt wird.763
Auf struktureller Ebene führt Metastasio die schon von Zeno in Angriff genommene
Reform der ernsten Oper nach den Konzepten der französischen Tragödie fort und
vermeidet konsequent die für das venezianische Libretto charakteristische Aufspal-
tung in die hohe und die niedrige Ebene, mit ihren spezifischen Gestalten und ih-
rem sprachlich sowie musikalisch typischen Ausdrucksniveau. In seinen durchwegs
dreiaktigen Musikdramen, die sich in ihrem Aufbau den Regeln der drei Einheiten
(Handlung, Ort und Zeit) unterwerfen, reduziert Metastasio die im 17. Jahrhundert
häufig beeindruckend hohe Anzahl von Personen und die mit ihnen verbundenen Pa-
rallelen in der Handlung auf eine überschaubare Personenkonstellation (im Idealfall
nicht mehr als zehn) in einer schematisierten Szenengestaltung, die die Entwicklung
eines zentralen Konflikts verfolgt. Das bedeutet auch eine stilistisch einheitliche Aus-
drucksform, welche die zur Belustigung eingestreuten Dienerfiguren vermeidet:
Alle Personen sprachen, gleich welchen Standes sie waren, eine gehobene Büh-
nensprache, was am Wiener Hof heftig bedauert wurde, weil man die oft recht
Kaiser Karl VI. und ihre Vertonung durch Antonio Caldara. In: Sommer-Mathis / Hilscher (Hg.): Pietro
Metastasio – uomo universale, S. 63–72; hier S. 63.
763 Hilscher: Antike Mythologie und Habsburgischer Tugendkodex, S. 69.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549