Page - 515 - in Die italienische Literatur in Österreich - Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Image of the Page - 515 -
Text of the Page - 515 -
515Die
neuen Leidenschaften im Libretto
Ehe seines verwitweten Vaters Geremia Pincherle getauft und trägt fortan den Na-
men seines Bischofs. Nach dem Abschluss des Priesterseminars in seiner Heimat-
stadt und den Weihen 1773 wirkt er in Venedig und Treviso, wird aber 1776 wegen
seiner liberalen Ideen von den kirchlichen Behörden verfolgt. Sein weiteres Leben
in Venedig erregt darüber hinaus derartige Skandale, dass er 1779 für 15 Jahre aus
der Republik verbannt wird und er nach Dresden flüchtet, wo er sich als Mitarbeiter
von Mazzolà betätigt. Der bis dahin nur für einige Lobgedichte und seine 1780 in
Görz veröffentlichte Ballade La capricciosa. Poemetto eroico bekannte Autor gelangt
im Dezember 1781 nach Wien, wo er mit Hilfe von Salieri und Orsini-Rosenberg
zum kaiserlichen Theaterdichter ernannt und erstmals 1783 durch seine italienische
Fassung von Glucks Iphigénie en Tauride (französisches Libretto von Nicolas Fran-
çois Guillard), eine Übersetzung kirchlicher Lieder für die italienische Kongrega-
tion (Preghiere che si cantano nella chiesa della Nazione Italiana, Wien 1783) und den
Misserfolg von Il ricco d’un giorno. Dramma giocoso, das am 6. Dezember 1784 im
Burgtheater mit der Musik von Salieri aufgeführt wird,903 in Erscheinung tritt. In
der Folge macht sich der Autor immer mehr einen Namen als genialer Bearbeiter
fremdsprachlicher Vorlagen, welche er in glänzenden italienischen Formulierungen
dem Geschmack des Wiener Publikums anzupassen versteht.
Das Jahr 1786 bringt mit der Aufführung von insgesamt fünf Werken den ent-
scheidenden Durchbruch und macht Da Ponte zum führenden Theaterautor Wiens.
Am 4. Januar 1786 wird Il burbero di buon cuore. Dramma giocoso nach einer französi-
schen Vorlage von Carlo Goldoni (Le bourru bienfaisant bzw. Il burbero benefico, 1771)
mit der Musik des spanischen Komponisten Vicente Martín y Soler (1754–1806)
erstmals im Burgtheater dargeboten und mit Begeisterung aufgenommen, worauf
es zunächst ein Jahr lang und dann wieder 1789–90 auf dem Spielplan zu finden
ist. Es folgen Il finto cieco. Dramma buffo nach der französischen Vorlage L’aveugle
clairvoyant. Comédie (1716) von Marc-Antoine Legrand (1673–1728) mit der Musik
von Gazzaniga am 20. Februar 1786904 und am 1. Mai 1786 Le nozze di Figaro. Com-
media per musica nach La folle journée ou Le mariage de Figaro (1778) von Beaumar-
chais (1732–99) in der Vertonung von Wolfgang Amadé Mozart (1756–91), die nach
anfänglichen Turbulenzen um die Aufführungen im Burgtheater in der folgenden
Saison in Prag Anklang findet und in einer zweiten Fassung vom 29. August 1789
zwei Jahre lang in Wien gespielt wird.
903 Das Werk wird bis Januar 1785 nur fünf Mal wiederholt.
904 Mit nur zwei Wiederholungen am 22. Februar und am 18. April 1786.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549