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Von der Spätaufklärung zur
Frühromantik522
geforderten Individuen, über welche diese selbst am meisten entsetzt sind. Noch
mehr als in Don Giovanni tritt hier beim Ausbruch der beiden Liebespaare aus ihrem
klischeehaften Normverhalten die erschütternde Unsicherheit der Gefühle zutage.
Die Thematik der Liebesprobe entnimmt Da Ponte aus zahlreichen zeitgenössi-
schen Vorlagen wie I tre amanti ridicoli von Antonio Galuppi, die mit der Musik sei-
nes Vaters Baldassare erstmals 1761 in Venedig und in den darauf folgenden Jahren
in ganz Europa gespielt wird (darunter 1763 in Prag und 1765 in Wien), weiters Il
vecchio geloso von Galuppi auf ein Bertati zugeschriebenes Libretto (erstmals 1767 in
Wien) oder Il Villano geloso von Bertati und Galuppi (erstmals 1769 in Venedig und
1770 in Wien), sowie Le donne sempre donne von Pietro Chiari, in der Vertonung von
Andrea Lucchesi (erstmals 1767 in Venedig).
Ausgangspunkt der Handlung ist das allzu große, weil auf leeren Konventionen
basierende Vertrauen der beiden Offiziere in die Treue ihrer Verlobten, wie sich in
den formelhaften und damit leicht ironischen Versen des Librettisten zeigt:
FerrandO La mia Dorabella
capace non è:
fedel quanto bella
Il cielo la fe’.
gugLieLmO La mia Fiordiligi
tradirmi non sa:
uguale in lei credo
costanza e beltà. (v. 1–8)915
Der zynische Philosoph Don Alfonso und die unternehmungslustige Kammerdienerin
Despina machen den beiden Paaren allerdings im Laufe der Geschehnisse klar, wie
unberechenbar Gefühle sind. Dorabella muss schließlich vor sich selbst bekennen:
È amore un ladroncello,
un serpentello è amor;
ei toglie e dà la pace,
come gli piace, ai cor. (v. 1389–1392)
Die zu Beginn von Don Alfonso formulierte Hypothese, dass alle Frauen sich „so“
verhalten, wird dem zwischen offener Heiterkeit und heimlicher Erschütterung
915 Zitiert nach Gronda / Fabbri (Hg.): Libretti d’opera italiani, S. 885–959.
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Volume I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die italienische Literatur in Österreich
- Subtitle
- Von den Anfängen bis 1797
- Volume
- I
- Author
- Alfred Noe
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 780
- Keywords
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549