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2.2. KRIEGSJAHRE 55
für denErnstfall eingewiesen war (mein ganzesGepäck lag seitdem dort griffbereit), war
ich gewissermaßen zu jeder Stunde sprungbereit. Bei aller Freude begann sich offenbar
mehr undmehr ein Schatten über die glücklichen erstenMonatemeines Lebens zu brei-
ten. Denn bei aller Heiterkeit konnte die aufkeimende Sorge wegen eines Krieges keine
wirklicheFreudebereiten, zumaldieGenerationmeinerElternundGroßelternden ersten
Weltkrieg und seine Folgen durchaus noch in lebhafter Erinnerung hatten.
2.2.1 Kriegsbeginn
Kinder sind fürSorgenundÄngstederElternwiediegeradebeschriebenenbesonders sen-
sibel. Die zeitlicheKoinzidenz des Kriegsausbruchsmitmeiner Erkrankung Juli/August
1939 und gleich danach noch einmal etwa August/September 1939 erscheint mir daher
alles andere als Zufall zu sein. Meine Mutter schrieb: Unser Bub hatte mit 3/4 Jahr
Brechdurchfall u. kostete es viel Pflege, um ihnwieder auf dieHöhe zu bringen; kaumwar
er soweit, bekam ermit 10Monaten den Keuchhusten u. kam er wieder sehr herunter.
Ich erinneremich an eine Erzählungmeines Vaters, wonach ermir beimAnblickmeines
Zustandes damals keine Überlebenschancen mehr einräumte. Eine offenbar sehr ernste
Erkrankungmitten imSommer!
Parallel zudiesenErkrankungenkameszuden folgendendramatischenEntwicklungen.
In denWorten meines Vaters:11 In der letzten Juli Woche 1939 wurden plötzlich die 4
Offiziered.R. [derReserve],welchebei deraktivenTruppemob[ilisierungs]mäßig eingeteilt
waren, zu einemachttägigenReitkurs einberufen.Wirwaren uns klar: das sollte noch der
letzte Schliff sein! Dies koinzidiert rechnerisch also genaumitmeinemBrechdurchfall.
Mein Vater dann weiter: Mitte August arbeitete ich meinen Garten nochmals gründ-
lich durch. AmDonnerstag den 24. Aug. 39 war ich gerade gegen 14h fertig geworden.
Es galt nur noch dieWege durchzurechen. Das wollte ich unseremDienstmädchen über-
lassen. Befriedigt, daß alles nun in so tadellosem Zustand sei, wollte ich eben durch den
Staudenweg in dieWohnung gehen. Es war ein heißer Tag, die Sonne brannte; ich trug
nur eine kurze Tuchhose. Da kam zumHoftor herein: der Uffz. (R.O.A.) [Unteroffizier,
Reserveoffiziersanwärter]Arnold vonder4.Kp. [Kompanie] der seit langemmobmäßig
bestimmte Bote für mich im Alarmfalle. `Herr Ltn. [Leutnant] sollen sofort zur Komp.
kommen! Alarm!'
11FAHB3, S.3.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Title
- Reflexionen vor Reflexen
- Subtitle
- Memoiren eines Forschers
- Author
- L. Wolfgang Bibel
- Publisher
- Cuviller Verlag Göttingen
- Location
- Göttingen
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 464
- Category
- Biographien
Table of contents
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427