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204 KAPITEL3. ZIELSUCHE
sechzigerJahrensoll ihmnunvorwegder folgendeAbschnitt eigensgewidmet sein, indem
wir zeitlich ebenfalls weit vorausgreifenwerden.
3.4 Die väterlicheKarriere
ImvorangehendenKapitelwurde ausführlichdargestellt,wiemeinVater nachdemKrieg
eine Reihe von großen Hindernissen überwindenmußte, bis er endlich wieder in seinem
Beruf alsVolksschullehrer anderThusneldaschule inMögeldorf uneingeschränktundwei-
terhin erfolgreich wirken konnte. Vor allemwurde in Abschnitt 2.5.3 auch sein darüber
hinausgehendesberufsständischesEngagementdargelegt. ImJahre1953bahntesichdaher
endlich seineBeförderung zumRektor an, die schon vor demKrieg längst fällig gewesen
wäre, in jenenunseligenJahren infolge seinerDistanz zudenNazis abernicht realisierbar
war.
Am 18.3.1953 erfolgte durch die Bezirksschulrätin Irene Stahl eine Schulbesichtigung
der von Hans Bibel geführten 8. Knabenklasse. Ihr Bericht über diesen Besuch ist ins-
gesamt positiv mit einer Gesamtbeurteilung II (gut), enthält aber auch eine Reihe von
Beckmessereien.80BeispielsweisewirdFolgendesüber seinenUnterrichtangemerkt: Seine
unterrichtlichenErfolge wären noch größer, und seineKlasse würde an innerer Lebendig-
keit gewinnen, wenn er der geistigen Eigentätigkeit seiner Schüler mehr zumutete und
zutraute. Nun wäre gegen einen derartigen gutachterlichen Hinweis grundsätzlich auch
nichtdasGeringsteeinzuwenden,vorallemwennmanihnimKontextderbegleitendengu-
tenBeurteilungen als konstruktiveKritik imSinne einer Ermunterung verstehen könnte.
Gleichwohl erscheinen mir diese und weitere ähnliche kritische Hinweise der Gutachte-
rin genauer betrachtet doch als recht deplatziert undwenig kompetent. Dennwas genau
kannman sich darunter vorstellen, der geistigenEigentätigkeit eines Schülersmehr zu-
zumuten?DemSchülermehr Zeit geben, wenn er beispielsweise Schwierigkeiten hat, die
Rechnung zuEnde zu führen? und dabei die anderen 29 Schülerwarten zu lassen?Nein,
das kann sie nicht gemeint haben, denn die Gutachterin meint auch: Dem Lehrer wird
empfohlen, ... besonders das klare Vorrechnen ... nicht zu übersehen. Also doch keine
geistigeEigentätigkeit zuzulassen?Hier ist janichtdergeeigneteOrt, 62Jahrepost fac-
tumGutachterschelte auszuteilen. Aber es sei mir doch zugebilligt festzustellen, daß ich
hinter den imBericht angeführtenKritikpunktenmeinenVater nicht erkennenkann.Ha-
be ichdochüber Jahrzehnteunmittelbar erlebendürfen,wie viel er seinemSohn in seiner
80Bericht über die Schulbesichtigung vom 18.3.1953; Staatsarchiv Nürnberg Signatur Regierung von
Mittelfranken,Abgabe 2000Nr. 15750 , Personalakt, S.5ff.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Title
- Reflexionen vor Reflexen
- Subtitle
- Memoiren eines Forschers
- Author
- L. Wolfgang Bibel
- Publisher
- Cuviller Verlag Göttingen
- Location
- Göttingen
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 464
- Category
- Biographien
Table of contents
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427