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74 KAPITEL2. KINDHEIT
vielleicht selbst die Lächerlichkeit Ihres Unterfangens eingesehen haben und abgezogen
sind.
Kurze Zeit darauf rückten dann die Amerikaner tatsächlich durch diese Unterführung
inGmünd ein.58Wir standen an der Straße Spalier und bestaunten die Fahrzeuge samt
deren Insassen wie einen Faschingszug und doch mit sehr gemischten Gefühlen. Als
geeignetsten Unterbringungsort in Gmünd machten die Amerikaner die Fabrikgebäude
meinesGroßvaters aus. Von da an lebtenwir einigeTage hautnahmit denAmis zusam-
men. Das hatte vielerlei Vorteile, auch für einen Buben. Denn erstmals bekamman von
diesen freundlichenMitbewohnern so exotischeDingewieKaugummis, Negernüsse (ge-
salzeneErdnüsse) und andereKöstlichkeiten spendiert.Die deutschenMännerwaren auf
Zigaretten scharf.DieFrauenkokettiertenmit den jungenSoldatenund freuten sichüber
Bohnenkaffee, den es sonst nirgends gab.Baldwaren sie dannaberwieder abgezogenund
hinterließen unsBrauchbareswieBüchsenmitCornedBeef.
2.3.2 DieGmünder Zeit nachKriegsende
Als relativwohlhabenderUnternehmerhatmeinGroßvater imFebruar1938vonJohanna
Gern das Haus Friedrichsgmünd Nr.2059 gekauft, das schräg gegenüber seinem eigenen
Anwesen lag. Familie Gernwar eine inGmünd angesehene und lange ansässige jüdische
Familie, über die sich in dembereits im letztenKapitel erwähntenBuchvonHerrnBerg-
hofer ausführliche Informationen finden.60UmdemNazi-Terror zu entfliehen, wanderte
die verwitwete FrauGern imMai 1938 in dieUSAaus.
MeinGroßvater stellte uns die Parterrewohnung dieses Gerns-Hauses zurVerfügung,
in derwir dann bisOktober 1947 gewohnt haben. Insgesamt drei JahremeinerKindheit
bin ich also auf demDorf aufgewachsen.Daswar in einemAlter, in demdas jugendliche
Gedächtnis wie ein Schwammnoch alles aufsaugt, weshalb ich noch viele Erinnerungen
an jene Zeit habe.
Relativ zu den in der unmittelbarenNachkriegszeit gegebenen besonderenUmständen
normalisierte sich unser Familienleben. Der Vater war wieder zu Hause, auch Annelore
kehrte vonderEvakuierungnachLeupoldsdorf zurFamilie zurückundwir hattenwieder
58Am 20.4.1945 feierten die Amerikaner ihren Einmarsch in und die Einnahme von Nürnberg. Am
30.4.1945 besetzten sieMünchen. Zwischen diesen beidenDaten dürften sie daher dem zwischen beiden
Städten liegendenGmünd ihreVisite abgestattet haben, von der hier dieRede ist.
59InFormularengabmeinVateralsAdresse FriedrichsgmündNr.19 an.NachheutigerNummerierung
(mutmaßlich) Petersgmünder Str.10.
60GerdBerghofer,DieAnderen:Das fränkischeGeorgensgmündund seine Judenvor undwährenddes
DrittenReiches, wek-Vlg, 2013, S.39.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Title
- Reflexionen vor Reflexen
- Subtitle
- Memoiren eines Forschers
- Author
- L. Wolfgang Bibel
- Publisher
- Cuviller Verlag Göttingen
- Location
- Göttingen
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 464
- Category
- Biographien
Table of contents
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427