Page - 156 - in Reflexionen vor Reflexen - Memoiren eines Forschers
Image of the Page - 156 -
Text of the Page - 156 -
156 KAPITEL3. ZIELSUCHE
Unser Verhalten war objektiv gesehen dumm und töricht. Er war eine herzensgute,
wenn auch als Pädagoge nicht allzu begabte Persönlichkeit. Fachlich hättenwir von ihm
jedoch unglaublich viel lernen können. Aber wir waren halt in einemAlter, in dem die
VernunftnochnichtdieOberhandgewonnenhatte.DaerwohlnachunserersiebtenKlasse
in Pension ging, bekamen wir für die letzten beiden Jahre in Chemie den Studienrat
Karl Nägele, von dessenUnterrichtmir nur in Erinnerung geblieben ist, daßAlkohol als
Nahrungsmittel durchaus tauglichwäre, wennman von seinenNebenwirkungen absähe.
Zusammenfassend macht der Unterricht in diesemmathematisch-naturwissenschaftli-
chenBereich inmeinerErinnerung zumindest fachlichundpädagogischkeinen sehr über-
zeugenden Eindruck. KeinWunder, daßmeineKlassenkameradenmit nur zwei Ausnah-
men, also zu mehr als 90 Prozent, sich daher auch nicht für einen voll-akademischen
mathematisch-technisch-naturwissenschaftlichenBeruf erwärmen konnten. Ich selbst ha-
bemutmaßlichviele entsprechendeAnregungenzumindest auchausBüchernwiedembe-
reits imAbschnitt 2.5.2 genannten DasNeueUniversum , Robert Jungks4 Die Zukunft
hat schon begonnen AmerikasAllmacht undOhnmacht , dasmich sehrbeeindruckthat,
oder aus unseren Schulbüchern erhalten. Von den wissenschaftlichen Entwicklungen der
fünfziger Jahrewie beispielsweise der sich rasant entwickelndenKomputertechnologie hat
wohl keinerunsererLehrer irgendetwasmitbekommen, sonstmüßtedoch irgendwannein-
maldarüber einWortgefallen sein, dasmeinenOhren sichernicht entgangenwäre.Meine
Noten schwankten in diesem Bereich über all diese Jahre ausnahmslos in dem Bereich
gut bis befriedigend, was diemäßigeBegeisterung, aber auch dasAusbleiben besonderer
Schwierigkeiten widerspiegelt. Dabei mußman imVergleichmit dem heutigen Notenni-
veau imAuge behalten, daß einNotendurchschnittmit einer 1 vor demKommadamals
viel seltener als heute vorkam.
Sprachliche Fächer
DasSelbstverständnis unsererAnstaltwar also zu jener Zeit trotz des Real gymnasiums
ganz offensichtlich noch deutlich stärker von einem philologischen als von einem natur-
wissenschaftlichen Geist geprägt. Die Gewichte lagen eindeutig auf den immerhin vier
Sprachen Deutsch, Latein, Englisch und Französisch. Für mich war das ein Vorteil und
einNachteil zugleich.DerVorteil lag in der profunden sprachlichenGrundlage, die ich in
meiner Schulzeit erwerben durfte und die mir bis heute sehr zugute gekommen ist. Der
Nachteil bestand einerseits in der für ein anschließendes naturwissenschaftliches Studium
vergleichsweiseunzureichendenVorbildungundandererseits indenHürden,diedasErler-
4https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Jungk, Zugriff 26.10.2015.
Reflexionen vor Reflexen
Memoiren eines Forschers
- Title
- Reflexionen vor Reflexen
- Subtitle
- Memoiren eines Forschers
- Author
- L. Wolfgang Bibel
- Publisher
- Cuviller Verlag Göttingen
- Location
- Göttingen
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-SA 4.0
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 464
- Category
- Biographien
Table of contents
- Einleitung 1
- Vorfahren 11
- Kindheit 51
- Zielsuche 153
- Forscherleben 281
- Resümee 413
- Stichwort- und Namensverzeichnis 427