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Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen | 71
aus. Dabei ist u. a. auf drei große Kartenwerke228 mit neun Übersichtskarten und 200
Detailplänen über die wichtigsten ungarischen Grenzfestungen gegen die Osmanen
aus der Zeit von 1653 bis 1667 hinzuweisen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit im
Auftrag des zweiten Vorgängers Markgraf Hermanns als Hofkriegsratspräsident, An-
nibale Fürst Gonzaga, angefertigt worden waren und als maßgebliche Unterlagen für
sämtliche Planungen des Vorgehens der kaiserlichen Truppen im Wiener Hofkriegsrat
dienten. Als dann in den frühen 1680er Jahren der Badener Markgraf zum Präsiden-
ten des Hofkriegsrates aufstieg, hatte er Zugriff auf dieses Kartenmaterial. Zudem
war er ein Mann, für den – wie die bereits erwähnten Pläne von Gran und Budapest
(1683/84) zeigen
– kartografische Darstellungen sogar eigens angefertigt wurden. Die
von Schäfer geäußerte Vermutung, dass es niemand anderer als Markgraf Hermann
war, der diese streng geheimen Karten zu einem nicht genauer bestimmbaren Zeit-
punkt aus den Beständen entnahm, »entweder zu seiner Information oder auch nur
als Kartenliebhaber – wahrscheinlich kam beides zusammen …«229, hat in jedem Fall
hohe Wahrscheinlichkeit für sich.
Auf den für einen Vorsitzenden des Wiener Hofkriegsrates aus fürstlichem Ge-
schlecht nicht weiter verwunderlichen, vielleicht sogar quasi-selbstverständlichen
Umgang mit grafisch besonders attraktiven, zugleich militärisch hochinteressanten
Unterlagen der von ihm geleiteten Stelle dürfte es zurückzuführen sein, dass der Hof-
kriegsrat selbst ab dem Ende des 17. Jahrhunderts über kein Exemplar des Angielini-
schen Kartenwerks mehr verfügte, und sich damit ein solches in der Abteilung Kriegs-
archiv des Österreichischen Staatsarchivs nicht nachweisen lässt. Zugleich ist aus der
Sachlage mit großer Wahrscheinlichkeit zu erschließen, dass das heute in Karlsruhe
verwahrte Exemplar des »Angielini«-Atlasses das ursprünglich für den Hofkriegsrat
bestimmte war, wenn man so will das »Dienstexemplar«. Und genau in diese Richtung
weist nicht zuletzt der Umstand, dass es sich beim Karlsruher Atlas des Angielinischen
Werks um das bei weitem umfassendste Exemplar aller fünf Überlieferungen handelt.
Er enthält nämlich mit der Karte von Superior Vngaria nicht nur eine von Nicolò
Angielini signierte Karte, sondern genauso wie der Wiener Cod. 8609 Han alle fünf
Kartendarstellungen (neben Oberungarn das Gebiet zwischen Mur und Donau, die
Schüttinsel, die Bergstädte und die Karte von Kroaten und Slawonien). Genauso wie
beim Wiener Cod. 8609 Han finden sich 49 Darstellungen der ins Gesamtwerk auf-
genommenen 50 Städte und befestigten Plätze – bei der Wiener Überlieferung fehlt
Tržac, bei der Karlsruher Hrastelnica.
228 Schäfer, Inventar, XI.
229 Schäfer, Inventar, XI.
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Title
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Subtitle
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Authors
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499