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76 | Ferdinand Opll
Was der Hinweis auf das Schreiben des Christoph von Carlowitz an August von
Sachsen aus dem Jahre 1566 dagegen in jedem Fall zeigt, ist das hohe Interesse des
sächsischen Kurfürsten an kartografischen Werken, zumal solchen der kaiserlichen
Kriegsschauplätze in Ungarn. Mit seiner Wertschätzung für kartografische Darstel-
lungen stand er in seiner Zeit freilich nicht allein. Schon von Ferdinand I., und zwar
bereits aus seiner Zeit in Spanien wissen wir, dass er mehrere Karten besaß, darunter
eine große Weltkarte (mappa mundi) aus Pergament in einer Leinentasche, die aus
dem Besitz seines Großvaters, des Katholischen Königs Ferdinand, gekauft wurde,
drei Seekarten, zwei aus Pergament und die andere aus Leinen, und eine besonders
prunkvolle runde Weltkarte auf einem Fuß (wohl ein Globus), bemalt mit dem könig-
lichen Wappen.246 Und 1555 war es dann offenkundig schon ganz selbstverständlich,
dass man Berichten vom kaiserlichen Hof in Brüssel an den Münchner Hof zeitge-
nössische Pläne der soeben begonnenen Festungen Karls V. im Maasgebiet beilegte.247
August von Sachsen (1526–1586) war nach dem Tod seines Bruders Moritz 1553 in
den Kurfürstenrang aufgestiegen. Er zählt zu den besonders eindrucksvollen wie erfolg-
reichen Territorialfürsten des Reiches während des 16. Jahrhunderts. Bekannt ist seine
große Sammelleidenschaft, die hier bislang nur im Kontext von Karten angesprochen
worden ist, die sich freilich weitaus umfassender gestaltete. Eine Analyse seiner Samm-
lungen hat deren aus dem Rahmen fallenden Charakter deutlich gemacht, nehmen doch
wissenschaftliche Instrumente und Werkzeuge beinahe 80 Prozent des gesamten Be-
standes ein. Was die Kartografie anlangt, so ist bekannt, dass Kurfürst August persönlich
und eigenhändig Vermessungskampagnen und Kartierungen durchführte, wobei sein
Interesse ganz stark auf die möglichst exakte Erfassung seiner Herrschaftsgebiete ge-
richtet war. Unter seinen Vorfahren hatte man von einer kartografischen Erfassung des
Landes noch Abstand genommen – die Sorge um Geheimhaltung der topografischen
Verhältnisse überwog noch. Auch das große Talent des im sächsischen Leisnig gebore-
nen Peter Apian (1495–1552) war unerkannt geblieben bzw. nicht entsprechend gewür-
digt worden. Apians Sohn Philipp (1531–1589) sollte dann schon 1563 für Bayern eine
der inhaltsreichsten und genauesten Territorialkarten im Reich vorlegen.
rische Literatur. – Marx/Plassmeyer (Hgg.), Sehen und Staunen, 459 Nr. 787, datiert nach Pàlffy,
Anfänge, zu 1572‒1575. – Die zu 1566 Karte im Kunsthistorischen Museum überlieferte Karte (An-
hang 9.1, S.
340 Nr. 6.1. sowie oben S.
32 f.) hat jedenfalls zu einer Reihe neuer Einsichten geführt, und
auch die möglichen Zeitpunkte zu einer Übergabe des Atlasses vom Kaiser an den sächsischen Kurfürs-
ten, nämlich 1573 oder 1575 (siehe dazu unten S. 78 mit Anm. 253) deuten eher darauf hin, dass der
Atlas Dresden Nr. 11 spätestens um die Mitte der 1570er Jahre in kurfürstlich-sächsischem Besitz war.
246 Rudolf, »El Rey Católico«, 409–423, und Ders., El inventario, 183–191. – Herrn Kollegen Karl Ru-
dolf (ehemals Instituto Histórico Austriaco, Madrid) ist ganz herzlich für die hier gebotenen Hinweise
zu danken.
247 Vgl. dazu Burger, Dürers »Unterricht zur Befestigung«, 283.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Title
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Subtitle
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Authors
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499