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94 | Ferdinand Opll
lichen Gegebenheiten einen Angriff erschwerten und zugleich ihre Versorgung wie
Verteidigung erleichterten.
8. Der andere Grundtypus legte ebensolchen Wert auf geschützte Lage und hohe Defen-
sivkraft, doch fanden sich die betreffenden Festungen hier auf Anhöhen, markanten
Hügeln oder Bergen, wodurch Angreifer leichter in Schach gehalten werden konnten.
Beide Grundtypen dominieren den habsburgischen Festungsgürtel gegen die Hohe
Pforte, wobei die individuellen Ausformungen der Anlagen hohes Interesse auf sich
ziehen. Ebenso trifft es für beide Typen zu, dass sie letztlich nur Beispiele einer durch-
aus breiten Variabilität an Burgen und Festungen waren. Ohne hier das gesamte Pano-
rama dieses Phänomens auch nur annähernd darlegen zu können, sei doch darauf
hingewiesen, dass auf Anhöhen gelegene Burgen offensichtlich den älteren Typus
darstellten und insbesondere in der mittelalterlichen Höhenburg ihren sinnfälligen
Ausdruck fanden. Umgekehrt lässt sich freilich nicht erweisen, dass durch Wasser ge-
schützte Festungen – gleich ob sie sich die natürliche Lage auf einer Insel, an einem
Fluss, der es leichter machte, einen wassergefüllten Graben rings um die Anlage zu
ziehen, oder in einem sumpfigen Gebiet zunutze machen – eine Neuerung der Früh-
neuzeit waren ; sie sind vielmehr gleichfalls schon für die mittelalterliche Epoche zu
belegen. Grundsätzlich unterschieden sie sich von Höhenburgen/Bergfestungen durch
ihre Lage in ebenem Gelände, und so wird in der einschlägigen Literatur24 auch von
»Niederungsburgen« gesprochen. Beispiele aus dem weiteren europäischen Raum bil-
den (1) für auf einer Insel situierte Burgen etwa die auf einer Insel der Oker schon im
frühen 12. Jahrhundert bezeugte Burg Dankwarderode in Braunschweig, Ausgangs-
punkt der Pfalzanlage Heinrichs des Löwen, oder die eindrucksvolle Anlage Trakai in
Litauen, (2) für an einem Fluss gelegene Anlagen etwa die seit dem späten 13. Jahr-
hundert errichtete Marienburg an der Nogat, einem Mündungsarm der Weichsel, und
(3) für in sumpfigem Terrain errichtete Festungen etwa die schon seit dem 11. Jahr-
hundert fassbare Burg Oebisfelde in Sachsen-Anhalt als eine der ältesten derartigen
Anlagen in Europa.25 Derartige Festungen nutzten das Wasser zum einen als Schutz
bzw. Annäherungshindernis für potentielle Angreifer, im Fall der Lage an Flüssen
oder gar auf Inseln konnte das umgebende Wasser auch für die Versorgung der Besat-
zung bzw. Bewohner der Anlage eine wichtige Rolle spielen.
Die relativ große Zahl an »Wasserfestungen« war ein regelrechtes Spiegelbild der un-
garischen Naturlandschaft in dieser Epoche.26 Die für das 16. und 17. Jahrhundert seit
24 Vgl. etwa Böhme u. a. (Hgg.), Wörterbuch der Burgen, Schlösser und Festungen.
25 Vgl. dazu Schulze, Oebisfelde.
26 Zum Folgenden vgl. Ágoston, Environmental and Frontier Studies, 72–78. – Eine jüngst vorgelegte
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Title
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Subtitle
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Authors
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499