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Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen | 103
Mittel- und Osteuropas, insbesondere für die Möglichkeiten der habsburgischen Kai-
ser eine Wende brachte, sondern auch im Hinblick auf die Kartenproduktion für den
ab nun im Zentrum des militärisch-politischen Geschehens stehenden Raum Ungarns.
Deutlich wird dabei gerade im Hinblick auf die einsetzende Produktion von Landkar-
ten Ungarns die direkte Wechselwirkung mit dem Vorrücken der osmanischen Macht
nach Westen. Mit der Eroberung von Belgrad und dem Erfolg bei Mohács war das
Königreich Ungarn selbst bedroht. Bereits zwei Jahre nach der verheerenden Nieder-
lage von 1526 wurde in Ingolstadt die von Lazarus, dem Sekretär des Erzbischofs von
Gran (Esztergom), gezeichnete Tabula Hungariae im Zusammenwirken mit Johannes
Cuspinian und Georg Tannstetter veröffentlicht.7 Ab der Ersten Wiener Türkenbela-
gerung von 1529 sollten sich die Verhältnisse noch einmal deutlich verschärfen, und
der habsburgische König Ferdinand I., der seine als Erbe Ludwigs II. angetretene
Herrschaft über Ungarn gegen Konkurrenten im Lande selbst ohnehin nur schwer
durchsetzen konnte, musste erleben, wie das Ausmaß der von ihm beherrschten Lan-
desteile des Königreichs Ungarn immer mehr schrumpfte. Dass mit 1529 das glück-
haft vor einer Eroberung durch die Osmanen gerettete Wien schlagartig in den Fokus
der frühen Produktion von kartografischem Material, insbesondere von Panoramen,
Ansichten und sonstigen grafischen Darstellungen der Ereignisse geriet, kann gleich-
falls nicht weiter verwundern.
Von einer auch nur einigermaßen in geordneten Bahnen verlaufenden Fortsetzung
der kartografischen Erfassung des Regnum Hungariae konnte freilich keine Rede sein.
Um 1538 erschien in Venedig die Ungarnkarte des Andrea Valvassore, die freilich von
einer nicht allzu genauen Kenntnis des Landes zeugt.8 Ein großer Schritt hin zu mehr
Detailreichtum und Präzision sollte dann erst mit den Werken des Wolfgang Lazius9
aus den 1550er Jahren erfolgen, doch wurden in ebendiesem Jahrzehnt auch durchaus
noch Nachdrucke des Lazarus produziert. Dennoch, beginnend mit den 1550er Jahren
und verstärkt ab 1560 ist ein regelrechter Boom von Ungarnkarten zu verzeichnen,
wobei neben italienischen Kartenwerken eines Gastaldi, Zenoi oder Forlani10 wichtige
Beiträge auch von Fachleuten geleistet wurden, die nördlich der Alpen tätig waren.
7 Zur Entwicklung der kartografischen Dokumentation Ungarns vgl. im Hinblick auf die publizierten
Kartenwerke die großen Überblickswerke von Szathmáry, Descriptio Hungariae, und von Szántai,
Atlas hungaricus, Bd. 1–2.
– Eine knappe Zusammenfassung im Hinblick auf die Mercator-Mappen von
Ungarn hat jüngst Csaplovics, Emergence of Early Regional Maps of Hungary, 84‒110, vorgelegt.
8 Vgl. Török, Renaissance Cartography, 1821 f. mit Abb. 61.7, sowie Born, Festung und Grenze.
9 Zu ihm und seinem Werk vgl. Svatek, Wolfgang Lazius. – Am 30. und 31. Oktober 2014 fand an der
Österreichischen Akademie der Wissenschaften eine Tagung aus Anlass des 500. Geburtstages von Wolf-
gang Lazius statt (Programm siehe : http://www.oeaw.ac.at/imafo/fileadmin/bilder/events/programm
_lazius.pdf /8.7.2015). Auf die Drucklegung der Referate dieser Tagung sei bereits jetzt hingewiesen.
10 Dazu siehe Szathmáry, Descriptio Hungariae.
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Title
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Subtitle
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Authors
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499