Page - 104 - in Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert - Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
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104 | Ferdinand Opll
Eine beachtliche Orientierungsmarke setzte dabei vor allem Augustin Hirschvogel mit
seiner Ungarnkarte, die mehr als zehn Jahre nach seinem Tod von dem Nürnberger
Hans Weigel gedruckt wurde.11
An Karten größerer Territorien bestand in fürstlichen Kreisen schon seit dem frü-
hen 16. Jahrhundert durchaus Interesse, doch stand deren Produktion nicht selten
das Bedenken vor einer allzu weiten Verbreitung topografischen Detailwissens entge-
gen. An bedeutenden Fürstenhöfen des Reiches, insbesondere denen von Sachsen und
Bayern, und deren Agieren im Kontext der Produktion von Landkarten lässt sich das
Phänomen des Strebens nach Geheimhaltung ebenso erkennen wie umgekehrt das
dem hohen Rang und dem Ansehen von Gelehrsamkeit adäquate Bemühen nach wis-
senschaftlicher Erfassung des beherrschten Territoriums. In Sachsen wurde das große
Talent des in Leisnig geborenen Peter Apian (1495–1552) nicht für die Schaffung
einer präzisen Übersichtskarte des Landes genutzt. Apian übersiedelte nach Bayern,
wo er in Ingolstadt eine eigene Druckerei gründete, in der 1528 die Lazarus-Karte von
Ungarn gedruckt wurde. Sein Sohn Philipp (1531–1589) sollte dann im Auftrag des
bayerischen Herzogs Albrecht V. 1554–1563 eine der bis dahin genauesten Territori-
alkarten für Bayern mit insgesamt 40 Einzelblättern im Druck vorlegen.12
In diesem Rahmen und Zusammenhang ist dann auch die Entstehung der in den
»Angielini«-Atlanten überlieferten – damit freilich ausschließlich in Manuskriptform
vorliegenden – »Mappen« des ungarischen Raumes zu sehen, der Gesamtkarte des
Nicolò Angielini im Dresdner Atlas Nr. 11 sowie derjenigen Kroatiens und Slawoni-
ens, also der südlichen Teile des Königreichs, der Landstriche zwischen Mur und Do-
nau, der Schüttinsel als des für die Verteidigung Wiens besonders wichtigen Bereichs,
Oberungarns und der Bergstädte. Diese chorografischen Karten gingen
– obwohl oder
vielleicht auch weil sie nach der verschiedenen Einfärbung der christlich und der mus-
limisch beherrschten Gebiete eindeutig die politisch-militärischen Verhältnisse am
sich immer wieder verändernden Grenzverlauf im Fokus hatten – über den Präzisi-
onsgrad der gedruckt vorliegenden Ungarnkarten ihrer Zeit weit hinaus. Sie setzten
tatsächlich neue Maßstäbe, einen neuen Standard.13 Und dies zeigt sich nicht zuletzt
darin, dass sich der ungarisch-stämmige Arzt und Humanist Johannes Sambucus (Já-
nos Zsámboky, 1531–1584) bei der Anfertigung seiner 1571 als Kupferstich erschie-
11 Vgl. dazu Fischer, »Mit schüessen oder feuerwerckhen«, 83.
12 Vgl. dazu Dolz, Von den Gelehrtenkarten, 19 ; zu Apian vgl. Wolff (Hg.), Philipp Apian.
13 Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der Neusiedler See, der bereits ab den späten 1540er Jahren in
einigen in Italien gedruckten Ungarnkarten eine Nord-Süd-Erstreckung aufwies, auf der Gesamtkarte
Ungarns des Nicolò Angielini im Dresdner Atlas Nr. 11 noch die bei Lazius zu erkennende West-Ost-
Erstreckung zeigt, vgl. dazu Csaplovics, Topochronologie, 163–174 (zu Lazius) und 175–180 (An-
gielini), sowie Opll, Der burgenländisch-westungarische Raum, 303‒307.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Title
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Subtitle
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Authors
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499