Page - 107 - in Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert - Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
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Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen | 107
haften Ausführung als unkolorierte Federzeichnung eine Reihe von Standards der
zeitgenössischen Kartenherstellung berücksichtigt. Sie bildet die maßgeblichen Orte
des dargestellten Raumes, etwa das mit seinem italienischen Namen als Iavarinum
bezeichnete Raab/Győr, Várpalota (Palota), das lateinisch als Alba Regalis bezeich-
nete Stuhlweißenburg/Székesfehérvár und auch das als Referenz- oder auch Reve-
renzpunkt gleichfalls eingezeichnete Wien (Vienna), in Form von vignettenhaften
Abbil dungen ab, zeichnet die Gewässer, darunter namentlich die Raab (Raba fluvius)
und den Plattensee (lacus Balaton) ein und gibt Entfernungen zwischen den Orten
mehrfach in Form genauer Maßangaben (miliaria 4, milia 5 etc.) an. Der Bereich süd-
lich des Plattensees wird ohne weitere Detaillierung als Komitat Somogy (Symigiensis
comitatus) bezeichnet, und auf einem beiliegenden kleinen Zettel des Aktes finden
sich Teile dieses Gebietes mit Babócsa und Kaposvár samt den Entfernungsangaben
in Meilen. Entgegen der in der Literatur anzutreffenden Meinung, dass Csorón die
Karte wahrscheinlich im Auftrag des Hofkriegsrates 1563 angefertigt hat,23 zeigt die
Einsichtnahme in das genannte Schreiben an Ferdinand I.,24 dass sie im Zusammen-
hang mit dem Bemühen des Adeligen entstand, vom Kaiser die Hauptmannschaft zu
Tihany am Balaton übertragen zu bekommen. Da sein, Csoróns, Herrschaftsschwer-
punkt zwischen Veszprém, Tihany und dem Wasen25 gelegen sei und dieser Raum
von den Osmanen bedrängt werde, wäre es ihm nur mittels Verleihung der erbetenen
militärischen Befugnisse möglich, die hiesige Stellung zu halten, was zugleich im
Interesse des Kaisers wäre. Aus Sicht der Entwicklung der Kartografie zeigt dieses
Beispiel, wie sehr es offenbar auch in Kreisen des Adels verbreitet war, derartige Kar-
tenskizzen als grafische Argumentationshilfen zu verwenden.
Nicht nur im christlichen Westen war die kartenmäßige Erfassung von Territorien,
darunter in Sonderheit solcher, wo die Herrschaftsverhältnisse umstritten waren, »state
of the art«, auch im islamischen Osten, im Osmanischen Reich, bediente man sich
schon früh des Mediums der Karte in durchaus umfassender Weise.26 Die einschlägige
Überlieferung
– soweit aus den vorliegenden Forschungen zu erkennen
– dürfte freilich
ungleich weniger umfangreich sein, als dies für den Westen der Fall ist. Zum anderen
Autopsie ist Herrn Kollegen Robert Rill (Österreichisches Staatsarchiv, Kriegsarchiv) herzlich zu dan-
ken. – Auf die Kartenskizze aufmerksam gemacht hat erstmals Pálffy, Európa védelmében (deutsche
Zusammenfassung).
23 So Török, Renaissance Cartography, 1843 mit Abb. 61.17.
24 ÖStA, Kriegsarchiv, Alte Feldakten 1564/2/ad 11 litt. a.
25 Ungar. Hanság, eine Niedermoorlandschaft südöstlich des Neusiedler Sees.
26 Nützliche weiterführende Informationen enthält der Blog von Robyn Dora Radway »On the art of
Renaissance and Ottoman Hungary«, siehe : http://ottomanhungary.blogspot.co.at/p/index.html (18.12.
2014).
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Title
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Subtitle
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Authors
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499