Page - 109 - in Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert - Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
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Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen | 109
deren Zuflüssen von Norden her und des Raumes rund um Nagykanizsa, im Osten
bis Szigetvár und zum Balaton reichend. Was dagegen fehlt, ist der Donauraum mit
den nördlichen Zuflüssen Neutra/Nitra und Waag/Váh. Der Hinweis auf diese Karte
–
und hier handelt es sich tatsächlich um eine kartografische Darstellung, wenngleich
äußerst skizzenhaften Charakters – ist Zsolt Török und seiner wichtigen Zusammen-
fassung zur Renaissancekartografie in der in Chicago erscheinenden History of Car-
tography zu verdanken.31 Das verlorene Original der osmanischen Karte wurde jeden-
falls im Auftrag des osmanischen Provinz-Gouverneurs (Beylerbeyi von Buda) Üveys
Pascha (1578–1580) hergestellt und dann an den Sultan nach Istanbul übermittelt.
Dieser Provinzgouverneur in der ungarischen Hauptstadt Buda war für seine Bestre-
bungen zur Befestigung und Ausweitung der osmanischen Macht wohl bekannt, hatte
sich dabei aber offenbar in Istanbul nicht nur Freunde gemacht. Fest steht jedenfalls,
dass der damalige habsburgische Vertreter an der Hohen Pforte, Joachim von Sin-
zendorf, sich schon im Sommer 1580 bemüht hatte, gegen diesen Mann vorzugehen
bzw. zu intrigieren.32 Üveys Pascha – in den deutschen Quellen figuriert er als Weiz
oder Weiß – war gleichwohl noch im Herbst dieses Jahres im Amt.33 Dem Schreiben
Sinzendorfs an den Kaiser vom 18. Jänner 1581 ist allerdings zu entnehmen, dass er
inzwischen vom Sultan abgesetzt worden war. Was im Detail geschehen war, bleibt im
Dunklen. Sinzendorf erwähnt aber, dass sich der Provinzgouverneur von kaiserlichen
und anderen Festungen in Ungarn ein Abriß und Modell hatte anfertigen lassen, das er,
Sinzendorf mit eigenen Augen gesehen, wegen der Furcht des Informanten allerdings
nicht habe kopieren lassen können. Gelungen war es dem habsburgischen Botschaf-
ter allerdings, von einer Türkhisch geschriben und abgerißen Mappa eine Kopie machen
zu lassen, die er seinem Bericht an den Kaiser beilegte.34 Dergestalt hat sich in den
Beständen des Haus-, Hof- und Staatsarchivs in Wien in der Dokumentation des dip-
lomatischen Schriftverkehrs mit der Hohen Pforte die Kopie einer osmanischen Karte
erhalten. Das hochinteressante Stück,35 mit dem sich kurz nach Török auch Gábor
Ágoston beschäftigt hat, stellt somit eine in vieler Hinsicht »besondere« kartografische
Überlieferung dar. Der Inhalt der Kartenskizze bietet uns ein Abbild »habsburgischer
31 Török, Renaissance Cartography, 1847.
32 Sinzendorf hielt in seiner Ausgabenrechnung vom Juni 1580 fest, dass er einer »geheimen Person«, die
ihm im Zusammenhang mit der Absetzung des osmanischen Amtsträgers gute Dienste geleistet hatte,
50 Taler bezahlt habe (HHStA, Turcica Karton 43, Turcica 1580 Jänner–Februar, F. 30/a, fol. 72–81, hier :
fol. 75v).
33 So in einem Bericht über persische Angelegenheiten vom 29. Oktober 1580, vgl. HHStA, Turcica Kar-
ton 43, Turcica 1580 November–Dezember u.s.d., fol. 50r.
34 HHStA, Turcica Karton 43, Turcica 1580 Jänner–Februar, F. 30/a, fol. 36–71, hier : fol. 38r–39r.
35 HHStA, Turcica Karton 43, Turcica 1580 Jänner–Februar, F. 30/a, fol. 72–81, hier : fol. 50.
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Title
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Subtitle
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Authors
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499