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Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen | 115
Derartiges für Wien nicht nachweisen. Die seit König Albrecht II. (1438/39) wie-
der zum Sitz des Herrschers im römisch-deutschen Reich gewordene österreichische
Hauptstadt an der Donau findet sich dann ganz selbstverständlich neben zahlreichen
anderen Städten der damals bekannten Welt erstmals 1493 in Form eines von Mi-
chael Wolgemut angefertigten Holzschnitts im »Liber chronicarum« des Nürnber-
gers Hartmann Schedel abgebildet. Der eigentliche Aufschwung des von Schedel und
seinen Partnern grundgelegten neuen Typus »Städtebuch« sollte freilich erst später
erfolgen und hatte seine wirklich große Zeit mit dem Werk von Georg Braun und
Frans Hogenberg in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und im folgenden Sä-
kulum mit dem Schaffen Merians.61 Der hier bloß andeutungsweise angesprochene,
geradezu ungeheure Aufschwung von Städteansichten lässt sich auch an Zahlen gut
ablesen : Während man nämlich für die Epoche vor 1490 die Zahl der Stadtansichten
mit geografischer Identifizierbarkeit auf rund 30 schätzt, enthalten die »Civitates orbis
terrarum« von Georg Braun und Frans Hogenberg in ihren Auflagen zwischen 1572
und 1617 nicht weniger als 546 derartiger Ansichten.62
Der besonders repräsentativ ausgefertigten Gesamtansicht einer Stadt sollte in vie-
ler Hinsicht die Zukunft gehören. Sie verdeutlichte in all ihrer Pracht und all ihrem
Detailreichtum Renommee wie Ansehen der über sie gebietenden Herrschaftsträ-
ger – sowohl von Fürsten als auch von Vertretern der betreffenden Stadt selbst – und
war damit aus der Sicht dieser Herrschaftsträger ein ganz besonders gut geeignetes
Bildmedium der Selbstrepräsentation und aus der Sicht der Produzenten (Künstler,
Stecher, Verleger, Drucker) ein mit großer Wahrscheinlichkeit lohnendes Genre. In
enger Wechselwirkung mit der Entwicklung der Drucktechnik – nicht nur des Buch-
drucks selbst, sondern insbesondere der Möglichkeiten des Bilddrucks (Holzschnitt
und Kupferstich) – sollte im 16. Jahrhundert die große Ära der Stadtveduten einset-
zen. Die Anfänge dieses neuen Genres waren aufs Engste mit dem Aufkommen neuer
Techniken und Instrumente auf dem Felde der Vermessung verbunden.
Ähnlich wie die Wiederentdeckung der Schriften des Vitruv für die Architektur im
Allgemeinen63 hatte auf dem Felde des Vermessungswesens die gleichfalls im frühen
15. Jahrhundert einsetzende Rezeption der Werke des Claudius Ptolemäus die Bedeu-
in Wien befindlichen Dürerschen Ansicht von Innsbruck auf : http://www.albertina.at/jart/prj3/alber
tina/main.jart?rel=de&content-id=1207841207636&reserve-mode=active&images_id=1214208143967
(8.11.2014).
61 Vgl. dazu vor allem Behringer, Städtebücher, 81–93. – Zum Städtebuch von Braun/Hogenberg vgl.
zuletzt Füssel (Hg.), Braun/Hogenberg ; zum Schaffen Matthaeus Merians des Älteren vgl. Wüth-
rich, Merian.
62 Ballon/Friedman, Portraying the City, 680.
63 Siehe dazu in diesem Buch im Kapitel zur »Festungstechnik«, S. 132.
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Title
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Subtitle
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Authors
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499