Page - 117 - in Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert - Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
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Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen | 117
spektivplans bot jedenfalls das Vorhandensein eines vermessenen Stadtplans, und erst
aus der Kombination von beiden Darstellungsformen erwuchsen die in der frühen
Neuzeit so faszinierenden Stadtansichten.67 Bisweilen blieben derartige Kombinatio-
nen gleichsam auf halbem Wege stehen, wenn etwa in einen Grundrissplan Ansichten
der bedeutenderen Gebäude eingefügt wurden, eine Tradition, die sich im Fall der
frühen Wien-Pläne vom Albertinischen Plan über das Werk des Augustin Hirschvo-
gel und die »Angielini«-Pläne bis hin zum Schlierbach-Plan des Job Hartmann von
Enenkel verfolgen lässt. Im Falle der aus dem frühen 17. Jahrhundert stammenden
Wiener Vogelschau des Jacob Hoefnagel68 weisen die Einblicke, die in mehrere Platz-
bereiche – den Bereich um St. Stephan, den Neuen Markt, den Graben, den Hohen
Markt, den Judenplatz, den Platz Am Hof und die Freyung oder auch den Innenhof
des Arsenals – geboten werden, darauf hin, dass in Vorbereitung der Ansicht Detail-
aufnahmen von Gebäuden nahe an diesen Plätzen angefertigt worden sein müssen.
Die am unteren Bildrand der Hoefnagel’schen Ansicht dargestellte Häuserzeile am
nördlichen Donauufer (Bereich des Unteren Werds, der heutigen Leopoldstadt) wird
dagegen nur mit ihren oberen Geschossen abgebildet, womit der Eindruck suggeriert
wird, als hätte es nördlich davon einen Punkt gegeben, von dem aus die gesamte Vo-
gelschau hätte aufgenommen werden können.
Vorläufer dieser neuen Ansichten waren – man ist geneigt zu sagen : abermals – ita-
lienische Arbeiten, darunter in einem Fall, nämlich bei der Tavola Strozzi, einer Stadt-
ansicht von Neapel aus den frühen 1470er Jahren, sogar ein im weltlichen Kontext
stehendes Ölgemälde.69 Als Manuskriptplan überliefert ist der Rom-Plan des Ales-
sandro Strozzi, den der venezianische Autor eigenhändig mit »Venedig, am 15. August
1474« datiert hat.70 Zeitlich etwas früher, nämlich 1469, sind sowohl der Rom-Plan
bedeutendere Objekte in größerem Maßstab dargestellt wurden. Bei solchen Perspektivansichten wird
die Welt von oben gesehen, von einem erhöhten Blickpunkt, dass man alles sehen kann, aber dennoch
die Bewunderung für das Detail nicht verhindert wird. Zuletzt wird der Traum, solch eine Vogelschau
überhaupt anfertigen zu können, an Vorstellungen aus der griechischen Antike (Daedalus, Ikarus) rück-
gebunden (»The bird’s-eye view was not something that one could have experienced, even by chance, in
the sixteenth century, but could only dream of : an ancient dream, dating from Greek culture.«)
67 So war etwa im Fall der berühmten Venedig-Ansicht von 1500 knapp zuvor ein Stadtplan erschienen,
vgl. Nuti, The Perspective Plan, 122.
68 Unten Anhang 9.7, S. 490 Nr. 23 ; vgl. dazu künftig Opll, Wiener Stadtansicht vom späten Mittelalter
bis zum Aufkommen der Fotografie.
69 Zur Tavola Strozzi vgl. De Seta, La fortuna, 28 und 36 Anm. 3, wo auch darauf hingewiesen wird, dass
die zeitgenössische Bezeichnung für diese Stadtansicht ritratto di prospettiva (= Perspektivbild) war ; des
Weiteren vgl. Guidoni, Leonardo da Vinci, 16–23.
70 Scaglia, Strozzi, 137–163 ; Guidoni, Leonardo da Vinci, 15 Abb. 6 ; Bogen/Thürlemann, Rom,
51–54.
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Title
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Subtitle
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Authors
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499