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Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen | 123
untrennbar verbundene zeitgenössische Begriff des »Bollwerks«103
– bedurfte man des
Rückgriffs auf Planmaterial. So stehen auch für Wien der Festungsbau bzw. dessen
grafische Dokumentation am Anfang der Entwicklung des Grundrissplans. Aus dem
Bereich nördlich der Alpen gehört die Residenzstadt der habsburgischen Monarchen
zu den Städten, für die schon besonders früh nicht nur Ansichten, sondern eben auch
Pläne überliefert sind. Die nach dem »Albertinischen Plan« ältesten erhaltenen Stadt-
pläne, der des Augustin Hirschvogel, der 1552 gedruckt wurde, und der Manuskript-
plan des Bonifaz Wolmuet, beide aus dem Jahre 1547,104 legen größten Wert auf die
Darstellung der städtischen Befestigungswerke. Hirschvogel brachte in seinem Stadt-
plan etliche eigene Vorschläge für eine Verbesserung der bereits angelegten oder auch
für die Errichtung von erst vorgesehenen Bastionen. Sein Werk ist demzufolge kei-
nesfalls als 1 :1-Darstellung der tatsächlichen Verhältnisse, sondern vielmehr als Ver-
bindung zwischen Realem und Projektiertem anzusehen. Wolmuet dagegen scheint es
bei seinem niemals im Druck erschienenen Stadtplan doch um mehr bzw. um anderes
gegangen zu sein. Der Wolmuet-Plan zeichnet sich nämlich nicht nur durch die Ein-
zeichnung von Gebäudegrundrissen und eine reichhaltige Beschriftung aus, er bezieht
auch die unmittelbar vor den Mauern gelegenen vorstädtischen Gebiete ein, die in der
Manier von Ansichten dargeboten werden.
An die Vorlagen von Hirschvogel und von Wolmuet sollten zwei Jahrzehnte spä-
ter die Wien-Pläne des Angielinischen Œuvres anknüpfen. Der Hintergrund für die
Entstehung dieser herausragenden Stadtpläne ist freilich weniger vom tatsächlichen
Baugeschehen an der Stadtmauer bestimmt, denn die erste Phase des bastionären
Ausbaus der Wiener Fortifikationen war damals bereits weitgehend vorbei.105 An der
Einbeziehung der unmittelbar vor den Stadtmauern gelegenen Vorstadtzonen in das
Kartenbild106 in Form von Ansichten der dort befindlichen Objekte, darunter auch
derjenigen am anderen Ufer des an der Stadt vorbeiführenden Armes der Donau, ist
eindeutig das Vorbild des Wolmuet-Plans von 1547 zu erkennen.107 Das Fehlen der
Grundrisse einzelner Gebäude im Angielinischen Werk – bei Wolmuet sind sie ver-
merkt, bei Hirschvogel dagegen nicht – weist andererseits auf die Verwendung auch
103 Vgl. dazu im Überblick Opll, Innensicht und Außensicht, 188–208.
104 Unten Anhang 9.7, S. 484 Nrr. 5 und 6.
105 Dazu siehe hier im Buch, S. 150–176.
106 Die Vorstadtbereiche finden sich ausschließlich – und auch hier unterschiedlich ausgeführt – in den
Überlieferungen in Karlsruhe sowie in Dresden Nr. 11, nicht dagegen auf dem Wiener Exemplar
(ÖNB Cod. 8609 Han), siehe dazu hier im Buch, S. 228.
107 Ob dabei auf das städtische Exemplar, das bis heute im Wien Museum erhalten ist, zurückgegriffen
werden konnte (unten Anhang 9.7, S. 484 Nr. 6), oder ob dem Schöpfer des Wien-Blattes eine Kopie
im Hofkriegsrat zur Verfügung stand, lässt sich nicht sagen.
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Title
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Subtitle
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Authors
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499