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138 | Ferdinand Opll
gelt.66 Südlich der Alpen gab es weiterhin gar nicht so wenige Traktate, die entweder
von selbst im Bauwesen tätigen Autoren oder auch von Militärs stammten. So verfasste
der Sienese Baldassarre Peruzzi (1481–1536), der als Maler und Architekt wirkte und
ab 1527 der offizielle Stadtarchitekt seiner Heimatstadt war, einen Traktat, der erst
1982 (!) im Druck vorgelegt wurde.67 Der Condottiere Francesco (I.) Maria della Ro-
vere (gest. 1538), Herzog von Urbino, der ab 1523 als »Governatore delle milizie«
von Venedig wirkte, ist als Autor seiner »Discorsi militari« bekannt, die erst 1583 in
Ferrara als Druckwerk erschienen.68 Große Bedeutung im Hinblick auf die Entwick-
lung der professionellen Seiten des Festungsbaus hatte der aus San Marino gebürtige
Giovanni Battista Belluzzi (1506–1554), der an den Befestigungen seiner Heimatstadt,
aber auch an denen von Pesaro und Florenz arbeitete und bedeutende theoretische
Schriften über den Festungsbau hinterließ, die allerdings erst 1598 unter dem Titel
»Nuova inventione di fabricar fortezze« im Druck erschienen.69 Zur Traktatliteratur
gehörten – wie dies schon bei der zuvor erwähnten Vitruv-Übersetzung des Walther
Hermann Ryff deutlich wurde – freilich auch allgemeiner gehaltene Lehrbücher zur
Architektur. Dabei ist etwa auf Sebastiano Serlio (1475‒ca. 1554) hinzuweisen, der
ab 1514 in Rom bei Baldassarre Peruzzi gearbeitet hatte und dann durch seine ab den
1530er Jahren zuerst in Venedig, dann in Paris publizierten »Sette libri d’architettura«
als Architekturtheoretiker bekannt wurde.70 Dass diese theoretischen Arbeiten auch
nördlich der Alpen verwendet wurden, ist daran zu erkennen, dass der an den Wie-
ner Befestigungen maßgeblich tätige Hans Tscherte (um 1480‒1552) Kenntnis von
Serlios »Regole Generali Di Architettura Sopra Le Cinque Maniere De Gli edifivci«
hatte. Niemand Geringerer als König Ferdinand selbst war es, der eine Übersetzung
von Serlios Werk ins Deutsche in Auftrag gab, die 1542 durch Pieter Coecke van Aelst
veröffentlicht wurde.71
66 Burger, Dürers »Unterricht zur Befestigung«, 267 und 287.
67 Zu Peruzzi vgl. Venturi, Peruzzi, den Artikel in den Enciclopedie on line, unter : http://www.treccani.
it/enciclopedia/baldassarre-peruzzi/ (16.11.2014), sowie Schweizer, Repräsentation und Funktion, 76.
68 Zu ihm vgl. Benzoni, Francesco Maria I Della Rovere, und Schweizer, Repräsentation und Funktion,
76 f.
69 Zu Belluzzi vgl. immer noch D’Ayala, Belluzzi, 295–303, des Weiteren Albenga, Belluzzi, den Arti-
kel in den Enciclopedie on line, unter : http://www.treccani.it/enciclopedia/giovanni-battista-belluzzi/
(16.11.2014), sowie Hilliges, Stadt- und Festungstor, 13, und Mollo, Theti, 92 und 124.
70 Zu Serlio vgl. Vaughan/Hicks (eds.), Sebastiano Serlio, Voll. I–II, sowie die Hinweise bei Balogh,
Italienische Pläne und ungarische Bauten, 13 und 25 (Bild 14), und Schweizer, Repräsentation und
Funktion, 55 f.
71 Vgl. dazu die Hinweise bei Holzschuh-Hofer, Die Alte Burg, 117, Dies., Galerie, 200, Dies./Grün,
Die Stallburg, 299, Martz, Gärten der Hofburg, 513, und Holzschuh-Hofer, Typologie und Tradi-
tionspflege, 579.
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Title
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Subtitle
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Authors
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499