Page - 185 - in Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert - Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
Image of the Page - 185 -
Text of the Page - 185 -
Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre | 185
Thoman Eiseler erwähnte in seinem Bericht ferner, dass es über die Art der Kon-
struktion dieses Bauwerks zu einem Disput zwischen den kaiserlichen Baumeistern
gekommen sei. Der neu bestellte Baumeister Francesco de Thebaldj234 war anfangs der
Meinung, keine Orillons (Ohren) zu bauen, obwohl der Kaiser zunächst für die Aus-
führung dieser Bauelemente gewesen war. Nun sollten die Baumeister in schriftlicher
Form ihre Vorschläge mit »Visierung« und »Model«235 unterbreiten, um eine Ent-
scheidung treffen zu können. Der von Albert Camesina 1879 kopierte Plan (siehe dazu
oben S. 177 Abb. 27) über den Stand der Arbeiten an der Kurtine und der Piattaforma
dürfte damit in Zusammenhang stehen. Wie Eiseler beschrieb, war der Bau der Kur-
tine bereits fortgeschritten, während an der Piattaforma, die keine bastionsartige Form
aufwies und daher tatsächlich eher als Plattform zu bezeichnen ist, bisher nur gering-
fügige Teile aus Mauerwerk errichtet worden waren. Von der Stadtseite waren links
und rechts Zugänge in die Kasematten geplant. Da auch der mittelalterliche »Fach-
turm« im Plan aufscheint, lässt sich ihre Lage annähernd rekonstruieren. Hingewiesen
wurde auch auf einen hohen Wasserstand, weshalb man den Bau erst dann vollenden
könne, wenn dieser zurückgegangen sei.236 Auf die Frage der Errichtung von »Oril-
lons« an der Thonaw Passtein zwischen Salz- und Rotenturm bezieht sich auch das
Schreiben Maximilians an seinen Vater Ferdinand I. vom 10.
Jänner 1562. Maximilian
erwähnt die unterschiedlichen Meinungen zu diesem Problem, spricht sich gegen die
Notwendigkeit des Baus von »Orillons« (Oriczanj) aus und hofft, dass diesmal nach
der kaiserlichen Resolution gebaut werde.237 Auch am 30. Juni dieses Jahres 1562 be-
richtete Eiseler dem Kaiser, dass er, da die Donau dem Bauplatz zu nahe verlaufe, nur
an den Flanken arbeiten könne und man für die donauseitige Fundamentierung noch
nehmen, dass die äußersten Jahresringe bei der Zurichtung des Holzes entfernt wurden. Wir danken
Michaela Kronberger, Wien Museum, herzlich für diesen Hinweis.
234 Francesco Thebaldi stammte aus Mantua und hatte an den Befestigungen im Piemont gearbeitet. Er
war auf Geheiß Kaiser Karls V. im September 1554 in die alten Niederlande gekommen. Im Mai
1555 kehrte er nach Italien zurück, wo er unter Gianmaria Olgiati in Mailand arbeitete, vgl. Roosens,
Guerres, 263. 1566 wurde ihm, der zwischenzeitlich Superintendent über die Bauten an der kroati-
schen und windischen Grenze geworden war, ein jährliches Gnadengeld von 100 Gulden bewilligt
(Kühnel, Forschungsergebnisse, 325). Thebaldi war unter anderem auch beim Festungsbau in Fürs-
tenfeld und Graz beteiligt, siehe auch unten Anhang 9.5, S. 478.
235 Diese Formulierung zeigt nachdrücklich, dass man zum besseren Verständnis von Bauprojekten so-
wohl ein (Holz-)Modell als auch einen Riss anfertigte.
236 Camesina, Urkundliche Beiträge, 75 f. Nr. XXII und Anm. 1 : bezieht sich auf den von Camesina selbst
kopierten Plan, den er zur Aufbewahrung ins Stadtarchiv gab (WStLA, Kartographische Sammlung,
Allgemeine Reihe, Pläne und Karten : Sammelbestand, P1.220/4), der zum Teil in italienischer Sprache
beschriftet ist.
237 Camesina, ebd., 76 Nr. XXIII. Darauf bezieht sich wohl der Kurzeintrag im KA HKR Protokollbuch
142 (1562), fol. 59r : Kaiserliche Resolution über die Bastei zwischen dem Salz- und Rotenturm.
back to the
book Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert - Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini"
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Title
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Subtitle
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Authors
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499