Page - 224 - in Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert - Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
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einen Maßstab. Während das Karlsruher Exemplar nur die »millaria vngarica«,
also den ungarischen Maßstab, ausweist, zeigt das Wiener Exemplar (Cod. 8609 Han)
sowohl die »millaria vngarica« als auch die »miliaria germanicorum«. Die
Wiener Exemplare tragen den Titel »insulae ichnographia« (Cod. 8607 Han) bzw.
»insvla czallokws« (Cod. 8609 Han), wobei Cod. 8609 Han links oben eine reprä-
sentative Kartusche mit der Beschriftung aufweist.15 Die Beschriftung der Orts- und
Gewässernamen erfolgt zumeist auf Deutsch, Ungarisch und gelegentlich Latein.
Es stellt sich die Frage, warum neben den großräumigeren Karten der kroatisch-
slawonischen, der kanischarischen und Raaber Grenze, der Bergstädtischen Grenze,
der Oberungarischen Grenze und von Ungarn als Ganzes mit der Schüttinselkarte
in den Atlanten ein relativ engeres Gebiet wiedergegeben ist. Die Haupterklärung
liegt sicherlich darin, dass das abgebildete Territorium für allfällige Angriffe auf die
Residenzstadt besonders bedeutsam war und gerade das Wiener Exemplar (Cod. 8609
Han) dem Kaiser und seinen Beratern einen anschaulichen Überblick aus militärischer
Sicht über das Terrain im Osten von Wien geben sollte. Ein weiterer Grund für das
Interesse an diesem Gebiet könnte darin liegen, dass es als Naturraum insofern von
Bedeutung war, als es sich um ein sehr großes bewaldetes Gebiet zwischen zwei bzw.
drei Donauarmen handelt. Der Holzreichtum in der Nähe zweier für das Grenzbefes-
tigungssystem überaus bedeutender Festungen, nämlich Komorn und Győr/Raab, war
von besonderer Wichtigkeit, benötigte man doch für den Ausbau der Festungen sehr
große Mengen an Bau- und Brennholz für die Ziegelproduktion.16 Zudem lief auch der
sich gerade mengenmäßig auf dem Höhepunkt befindliche ungarische Ochsenhandel
über dieses Gebiet nach Wien und von dort weiter in Richtung Südwestdeutschland
und auch nach Venedig.17 Die Ressourcensituation in diesem Gebiet, in dem Öster-
reicher, Ungarn sowie Osmanen aufeinandertrafen, war von großem Interesse, zumal
sie sich durch starke Abholzung infolge des Holzbedarfs rapide veränderte. Die Land-
schaft war einem starken Wandel unterworfen. Sümpfe und Marschländer waren auf
dem Vormarsch,18 was die Militärs in jedem Fall registrierten, hatte es doch Einfluss
auf den Baufortschritt der Festungen, Nachschubrouten sowie den Einsatz von Trup-
pen. Wir haben es in diesen Grenzgebieten mit einer klassischen »Frontier-Situation«
15 Ungarisch Csallóköz bzw. Szigetköz/slovakisch Zitný ostrov ist zu Deutsch die Schüttinsel. Pálffy macht
darauf aufmerksam, dass der Verfasser/Maler des Kartuschentextes czall-okws sprachlich falsch ab-
teilt (Pálffy, Anfänge 60, Anm. 179), obwohl vom Platz her dazu eigentlich kein Grund besteht.
16 Ágoston, Environmental and Frontier Studies, 73 f. – Auf den Holzbedarf für den Festungsbau wird
hier im Buch, S. 204–220, am Beispiel Wien eigens eingegangen.
17 Ágoston, ebd., 73 ; Pickl, Routen, Umfang und Organisation ; Matschinegg, Ochsenhandel ; Hoff-
mann, Footprint, 300 f.
18 Ágoston, ebd., 72.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Title
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Subtitle
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Authors
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499