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Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien | 229
südlichen Unteren Werd. Die Gewässertopografie ist für die Verteidigung von ent-
scheidender Bedeutung. Zwei Wienerwaldbäche sind in allen drei Versionen in ih-
rer Ableitung und Einleitung in den Stadtgraben zu sehen : der Ottakringer Bach im
Abschnitt zwischen Burg- und Löblbastei und der Alser Bach im Bereich der Schot-
tenbastei. Für strategische Überlegungen kam solchen Wasserläufen allerdings kaum
größere Bedeutung zu.
Der Wienfluss hingegen war seit 1529 immer wieder Thema in den Diskussionen
der Militärs im Zusammenhang mit der Verteidigung der Stadt.24 Besonders auf-
schlussreich sind Ausführungen der Militärs anlässlich der Beratschlagung über die
Befestigung entlang der ungarischen, italienischen und kroatischen Grenze im August
und September 1576, die dem Kaiser und seinen Räten von Oktober bis Dezember
1576 vorgebracht wurden.25 Darin heißt es zum Stadtgraben und zum Wienfluss : Es
ist aber Wien seinem placz unnd ungelegenhait nach also geschaffen, daß man das ort also
vesst nit machen kann wie es woll sein sollte, dan man kann dem feindt nit wehren, wie
auch hie oben gemelt, das er nit von stunndt an des erssten tags sein lager gar nahendt her-
zue schlagen, sein geschücz nach vortl stellen, seine Janitscharen an die contra-scarpa legen,
alsobaldt durch stollen in graben kummen, unnd wie der graben mer als halben tail umb die
statt trucken ist, und er erden da genueg hat, sich darinnen verschannczen und versencken
unnd an mehr orten zum undergraben unnd sprengen unnd zum niderschlaiffen der wäll
unnd polwerch greiffen kann, das ime ain solches von den streichweeren in die här nit kann
gewehrt werden. Unnd hat sonderlich durch den graben, da die Wien rinnt, ain solchen vortl,
daß er volck darein legern unnd also desst pesser des grabens mächtig werden, unnd yeder zeit
zuem sturm kummen mag. Dieser ding kaines kann man im weeren, unnd ob man gleich
ain plinden graben an denen orten da der graben trucken ist, umb die statt füerte, kann in
doch der in der lenng nit aufhalten, darumb ists gancz beschwarlich alhie ain volkumene und
sichere vessten aufzubringen.26
Die Militärs diskutierten also genau die auf den »Angielini«-Plänen wiederge-
gebene Problematik des nur zur Hälfte gefüllten Stadtgrabens, der keine Barriere
darstellt, und des breiten Wienflussbeckens, das dem Feind Deckungsmöglichkeiten
bietet. Ein Blick auf den Karlsruher und Dresdner Plan zeigt auch die durchaus steile
Geländekante insbesondere vom Ochsengries – also jenem Abschnitt des Wienflus-
ses, in dem sich dessen Lauf um 90 Grad Richtung Norden ändert
– im Süden bis auf
die Höhe des Stubentors im Norden. Entlang dieser Kante ist ein Holzzaun in genau
24 Camesina, Urkundliche Beiträge V (1531), XV (1549), XXXVI (1576/77).
25 KA AFA, 1576 13/2 (fälschlich 1577 13/2 im Index) fol. 46r‒51v ; Camesina, Urkundliche Beiträge
XXXVI, Auszug zu Wien 88‒96.
26 Ebd., 89.
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Title
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Subtitle
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Authors
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499