Page - 241 - in Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert - Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
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Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien | 241
der Donau gerade in den hier interessierenden Jahren62 ist eine Aussage nicht einfach.
Jedenfalls zeigen alle verfügbaren Darstellungen aus 1547 deutlich mehr Land vor der
Befestigung der Donaufront,63 welches dann spätestens ab den frühen 1560er Jahren
wegerodiert ist. Auf dem Rundplan von Hirschvogel (unten Anhang 9.7, S. 484 Nr. 5 ;
unten nach S. 312 Tafel 10) sind jedenfalls zwei parallele Brücken vom Oberen Werd zu
noch vorhandenem Land beim Salzturm zu erkennen. Der Holzschnitt von Hans Mayr,
welcher die Stadt Wien anlässlich des Einzugs Maximilians 1563 zeigt, allerdings erst
1566 gedruckt wurde, gibt de facto gar kein Land und auch keine Brückenverbindung
vom so bezeichneten Bader Gris – also jenem Schwemmland am östlichsten Ende des
Oberen Werds – vor den donaunahen Befestigungsanlagen wieder.64 Alle Erkenntnisse
zur Donau und ihrer Überschwemmungstätigkeit sowie zu den damit einhergehenden
Erosionen zusammengenommen ergeben folgende Chronologie : Der Holzstich von
Mayr aus 1563/66 dürfte den Maximalzustand in Hinblick auf die Erosion von Land
vor der Donaufront zeigen. Dem kommt das Wiener Angielini-Exemplar sehr nahe.
Im Karlsruher Exemplar ist ein Verlanden von der Piattaforma in Richtung Westen
zur Arsenaleinfahrt hin angedeutet. Das Dresdner Exemplar zeigt schließlich eine In-
sel zwischen Badergries und dem Flecken Land westlich der Piattaforma. Eine Fug-
gerzeitung, die über das Erdbeben in Wien 1590 berichtet, zeigt wieder eine Brücke
zwischen Oberem Werd und Fortifikation. Allerdings ist die Insel, welche im Dresdner
Angielini-Plan in der Mitte zu sehen ist, verschwunden.65 Es entstand eine Landzunge
vom Oberen Werd in Richtung Festungswerke, die in den oben angeführten Festungs-
darstellungen von de Rocchi (1565/70) und Theti (1576/89), aber insbesondere bei Stro-
mer (1595/1603), der allerdings auf die Einzeichnung des Arsenals verzichtet und nur
eine Einfahrt andeutet, bereits zu erkennen ist. Im Hoefnagel-Plan von 1609 ist sie
in ihrer künstlich stabilisierten Form, die durch bewusst geförderte Verlandung zum
Schutz der Donaufront zustande kam, zu sehen (Abb. 46).66 Das Arsenal war bald nach
seiner Etablierung innerhalb der Befestigung nur noch mittels eines befestigten Kanals
62 Hohensinner u. a., Changes in water and land, 145‒172.
63 Die Darstellungen von Wolmuet und Hirschvogel (unten Anhang 9.7, S. 484 Nrr. 6, 3 und 4) zeigen in
diesem Bereich deutlich mehr Land bzw. einen deutlich vor die Stadt reichenden Oberen Werd. Weniger
aussagekräftig sind die allzu sehr auf das Umreißen der Festung fokussierten Skizzen von Zenoi (unten
Anhang 9.7, S. 488 Nr. 18) – diese bietet ebenfalls zwei Inseln – sowie de Rocchi, Theti, Stromer von
Reichenbach und aus dem Schwedischen Kriegsarchiv (unten Anhang 9.7, S. 486 bzw. 489 Nrr. 13, 19,
21 und 22), die jeweils eine Insel verorten.
64 Kolorierter Holzschnitt von Hans Mayr (unten Anhang 9.7, S. 487 Nr. 14).
65 Eine Abbildung findet sich bei Rohr, Extreme Naturereignisse, 167 ; vgl. dazu Opll/Stürzlinger,
Ansichten und Pläne, 74 Nr. 53c.
66 Hoefnagel, Vogelschau (unten Anhang 9.7, S. 490 Nr. 23), aber auch bereits Sebisch, Schematischer
Festungsplan (Opll/Stürzlinger, Ansichten und Pläne, 80 Nr. 62).
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Title
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Subtitle
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Authors
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499