Page - 260 - in Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert - Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
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260 | Heike Krause
rand erscheint ein (Wach-)Häuschen. Unterschiedlich ist die Wiedergabe der Kurtine
zwischen Schottentor und Elendbastei. In der Dresdner Version ist die noch existente
mittelalterliche Stadtmauer mit dem Judenturm deutlich erkennbar (unten nach S.
312
Tafel 3). Auf ihrer Innenseite schließt ein angeschütteter Wall an. Die Stadtmauer, die
nicht an den Ecken, sondern in der Mitte des Judenturms anbindet, sodass dessen
vorderer Teil vor die Mauer vorspringt, weist in diesem Abschnitt in regelmäßigen
Abständen Unterteilungen auf, die vielleicht entweder als Zinnen oder Stützpfeiler zu
deuten sind.115 In den anderen Exemplaren sehen wir eine gerade verlaufende äußere
Kurtinenmauer, der auf der Innenseite noch ein entsprechendes Pendant fehlt. In der
Wiener Version fluchtet diese Mauer mit der Außenfront des Schottentors. Stadtseitig
führt ein Weg auf die Kurtine in Richtung Elendbastei. Stadtmauer, Schottentor und
Judenturm blieben tatsächlich noch länger bestehen. Das wird unter anderem aus den
Plänen von Daniel Suttinger aus dem Jahr 1684 und von Werner Arnold Steinhausen
aus dem Jahr 1710 deutlich. Im letzteren erkennt man beiderseits an Judenturm und
Stadtmauer angelehnte kleine Basteihäuschen, in denen die Angehörigen der Stadtgu-
ardia seinerzeit untergebracht waren. Die Stadtmauer stützte offenbar noch immer die
Kurtine auf der Stadtseite. Auch im Plan von Constantin Johann Walter von ca. 1750
ist diese Situation noch nachvollziehbar.116 Dass zwischen Schottentor und Elendbas-
tei auf der Rückseite der Kurtine die alte Stadtmauer verlief, ist noch in einem Dossier
von 1758 vermerkt. Darin wird auch ein alter Thurm [= Judenturm], so man den alten
Pulverthurm zu nennen pflegt, genannt.117 Das k. k. Fortifikationsamt verkaufte diesen
Turm 1775 an den Maurerpolier Paul Haug, der ihn abtragen und an dieser Stelle ein
Wohnhaus errichten ließ.118 Reste des Judenturms glaubte man beim Bau der Ring-
straße wiederentdeckt zu haben.119
Bis heute ist ein Abschnitt der einst nordöstlich der Bastion anschließenden Kurtine
im Bereich der Straßenzüge Mölkerbastei und Mölkersteig sowie die auf die einstige
Bastion führende Rampe in der Schreyvogelgasse erhalten geblieben. Dass es im Zuge
des Ringstraßenbaus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu keiner Veräußerung
von auf der Kurtine stehenden Häusern zum Zwecke der Stadterweiterung und der da-
raus resultierenden Demolierung kam, lag am Widerstand einiger Eigentümer.120 Da-
her blieb hier der Baubestand und das ursprüngliche Niveau der Kurtine größtenteils
115 Von diesem Abschnitt der Stadtmauer mit Zinnen ist 1596 noch die Rede (KA, HKR Akten 15, Re-
gistratur 167, 1602 Juli 2, fol. 13r).
116 Siehe zu den genannten Plänen unten Anhang 9.7, S. 491 f. Nrr. 25‒27.
117 KA KPS GPA Inland C I, α 3, Wien Nr. 6, pag. 20.
118 Harrer-Lucienfeld, Wien, seine Häuser, 32.
119 Krause, Die mittelalterliche Stadtmauer, 85 und Abb. 3.
120 Baltzarek u. a., Wirtschaft und Gesellschaft, 211–216.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Title
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Subtitle
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Authors
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499