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420 | Ferdinand Opll
erhellt, dass insbesondere das sandige Terrain der hier gelegenen Flussinsel Probleme
für den Ausbau bereitete. Der erste der Pläne von Cesare Baldigara (alle in : ÖStA, KA
AFA 1564/6/1 ; zum Teil abgebildet bei Domokos, Baldigara, Abb. 14–15 [mit irr-
tümlichem Hinweis auf eine zehneckige Festung !]), versehen mit Maßstabsleiste und
Richtungspfeilen, zeigt eine Festung, die die gesamte Insel umfasst und nicht weniger
als neun Eckbastionen aufweist, aber in dieser Form offenbar niemals gebaut wurde. In
der Nordwestecke wird textlich auf ein Kastell hingewiesen, bei dem es sich um die auf
einem der Pläne der Karlsruher Version
– oben Nr. (6)
– zu sehende Anlage gehandelt
haben dürfte. In Richtung villa Nemeti (im Norden) ist eine Schiffsbrücke zu sehen,
weitere Brückenbauten werden vorgeschlagen. In der Nordostecke der Insel bleibt au-
ßerhalb der Festung ein größerer, mit Zäunen geschützter Raum frei, und im Fluss
sind an dieser Stelle mehrere Schiffsmühlen eingezeichnet. Ein zweiter Plan zeigt im
Südosten der Insel, eingefügt in die Festung mit neun Eckbastionen, ein viereckiges
Kastell mit einer Breite von 160 Schritt und vier Eckbastionen, von denen zwei mit
denen der größeren neuneckigen Festung identisch sind. Der dritte Plan schließlich
stellt eine regelmäßige fünfeckige Festung mit Eckbastionen dar, der ausgeschnitten
ist und damit als eigenes Blatt auf den anderen Grundrissen frei verschoben und plat-
ziert werden kann. Noch im selben Jahr 1564 wurde Satu Mare von Stephan Báthory,
später Fürst von Siebenbürgen (1571–1586) und König von Polen (1576–1586), er-
obert, doch rückte dieser beim Anrücken kaiserlicher Truppen unter dem Kommando
des Lazarus von Schwendi wieder ab und ließ die Burg zuvor zerstören. Am 13. März
1565 wurde in Satu Mare das erfolgreiche militärische Unternehmen der habsburgi-
schen Kräfte durch eine hier abgeschlossene Übereinkunft mit Siebenbürgen beendet.
Noch im selben Jahr scheiterte ein Versuch des Fürsten Johann Sigismund Szapolyai,
mit Unterstützung durch osmanische Truppen den Platz zurückzuerobern. Von diesen
Ereignissen berichtet Hadrianus Candidus in einem am 26. Juli 1565 in Satu Mare
ausgestellten Brief an Francesco de Medici (siehe dazu oben S. 23 mit Anm. 17). Für
unseren Zusammenhang überaus bedeutsam ist die darin enthaltene Ankündigung, er
werde, falls dies der Florentiner Regent wünsche, von seinem (Hadrianus’, des Ver-
fassers des Briefes) Freund, dem aus Mailand stammenden Maler Natale Angielini,
gerne eine Kopie von dessen delineamenta des castrum Sakmariense (Satu Mare) und
des castrum Tockhaij (Tokaj, siehe S. 439) anfertigen und ihm übersenden lassen. Da-
rüber hinaus werden diese Kämpfe auch auf einem mit lateinischer und deutscher
Erläuterung versehenen Kupferstich des Natale Angielini (signiert : Natal de Ange-
lini), der dezidiert von den Kämpfen im Mai 1565 und den darauf folgenden Wo-
chen berichtet (LOCA IN VNGARIA RECEPTA AB INVICTISS[IMO] IMP[ERATORE]
MAX[IMILIANO] II sowie DIE ORTER SO NEVLICH IN VNGERN EINGENOMEN
SEIN), und auf dem im Wiener Cod. 8609 Han enthaltenen »Schlachtengemälde«
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Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Title
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Subtitle
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Authors
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 586
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499