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15Einführung
gia, durch die ersten Berufungen italienischer Professoren an die bestehenden bzw.
in dieser Zeit neu gegründeten Bildungsinstitutionen nördlich der Alpen und nicht
zuletzt dank der europaweiten Kontakte während der beiden großen Konzile von
Konstanz (1414–18) und Basel (1431–37, bzw. seine Fortsetzung bis 1443 in Ferrara,
Florenz und Rom) werden die in Norditalien weiter entwickelten Prinzipien des Pe-
trarca-Humanismus in den interessierten Kreisen der noch vorwiegend kirchlichen
Intellektuellen der deutschsprachigen Länder verbreitet. Die in der ersten Hälfte des
15. Jahrhunderts zu beobachtende Verlagerung der Zentren des italienischen Huma-
nismus in die Toskana und an den päpstlichen Hof in Rom sowie die programmati-
schen Veränderungen innerhalb des lateinischen und des sich ausbreitenden volks-
sprachlichen Humanismus werden in den deutschsprachigen Gebieten erst mit einer
letztlich bis auf mehrere Jahrzehnte anwachsenden Verspätung wahrgenommen.
Die für eine erste nachhaltige Rezeption des Humanismus in Österreich entschei-
dende Persönlichkeit ist ohne Zweifel Enea Silvio Piccolomini, welcher durch seine
Position am Hof von Friedrich III., durch seine Reformvorschläge für die Universität
Wien und durch seine Kontakte zu führenden Klöstern des Landes eine bisher in
der Forschung vermutlich zu wenig gewürdigte Auseinandersetzung mit den in Ita-
lien entstandenen Ideen bewirkt. Piccolomini vermag die seit Petrarca entscheidend
perfektionierte lateinische Stilistik, die humanistische Historiographie im Dienste
der Führungsschichten, die nach dem großen Vorbild in Petrarcas Senilium XIV,1
für Francesco da Carrara ausgearbeitete Fürstenerziehung sowie die Techniken der
Rhetorik und der Briefliteratur an die österreichische Geisteselite zu vermitteln.
Piccolomini verfasst während seiner Tätigkeit für Friedrich III. auch das erste
bedeutende Werk der italienischen Literatur auf österreichischem Gebiet: seine His-
toria de duobus amantibus zeigt nicht nur die ebenfalls von Italien ausgehenden lite-
rarischen Innovationen der neuen Gattung Novelle in einer modernen lateinischen
Expressivität, sondern spielt gleichzeitig mit dem inhaltlichen Motiv eines kulturel-
len Austausches zwischen dem Ursprungsland des römischen Imperiums und des-
sen seit Karl d. Gr. nach Norden verlegten Reich deutscher Nation. Umrahmt von
einem Sendschreiben an einen väterlichen Freund des Autors in der Toskana schil-
dert die Erzählung von der leidenschaftlichen Liebe des deutschsprachigen Adeligen
Euryalus zu der in Siena verheirateten Lucretia. In einer seit Francesco Petrarca und
Giovanni Boccaccio etablierten Tradition werden die Gegensätze zwischen natür-
lichen Trieben und moralphilosophischen Leitlinien in einer von unterhaltsamen
Überraschungen durchsetzten Handlung dargelegt und mit Hilfe eines tragischen
Endes der zu stärkerem Leid fähigen Figur zu einem belehrenden Schluss gebracht.
Piccolomini gelingt mit dieser sowohl im Original als auch in einer wenige Jahre
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549