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19Einführung
Darüber hinaus muss an die entscheidende Bedeutung der Oper am Wiener Kai-
serhof für die in der Forschung seit längerem bekannte Filiation italienischer Li-
bretti über deren Bearbeitung für das deutsche Singspiel in Texte der Wanderbühne
erinnert werden. In dieser Hinsicht sind Venedig und der österreichische Hof die
wichtigsten Quellen für die Textbücher des norddeutschen Musiktheaters, welche
ihrerseits von den Wandertruppen in ihrer spezifischen, meist gekürzten Form unter
Hinzufügung von Spaßmacherfiguren und spektakulären Bühneneffekten zurückge-
bracht und an lokale Verhältnisse angepasst werden. Aber das ist gewissermaßen nur
ein Nebeneffekt der bedeutendsten Epoche italienischer Literatur in Österreich.
Mit dem Ende des 30jährigen Krieges setzt am Kaiserhof in Konkurrenz zum fran-
zösischen Königshof eine künstlerische Produktion ein, in deren Zentrum das Wir-
ken zahlreicher italienischer Musiker und Literaten steht, deren Werke in ihrem
Umfang und in ihrer Qualität auch von der italienischen Forschung wohl aus his-
torischen Gründen noch immer unterschätzt werden. Aus den oben erwähnten, im
Humanismus entstandenen Modellen abgeleitet, entwickelt sich neben der meist in
lyrischen Kleinformen abgefassten Panegyrik vor allem die Historiographie zu ei-
nem zentralen Instrument der Selbstdarstellung des barocken Herrschers, dessen
kriegerische Taten, persönliche Qualitäten und Mäzenatentum auf Grund der inter-
nationalen Ausrichtung dieser Propaganda in lateinischen oder italienischen Texten
glorifiziert werden. Der zunehmend national konzipierten Identität des französi-
schen Hofes wird ein wesentlich vielfältigeres, aus der katholischen Universalität ab-
geleitetes Selbstverständnis gegenüber gestellt, das nicht zuletzt von der politischen
Notwendigkeit einer mitteleuropäischen Allianz gegen die in dieser Zeit konstante
Bedrohung durch das Osmanische Reich geprägt ist.
In diesem Rahmen beginnt ab der Herrschaft von Leopold I. die Bedeutung der
kaiserlichen Hofdichter zu steigen, deren Aufgabe darin besteht, die Festprogramme
des Hofes mit den entsprechenden Texten zu versorgen. Über zumindest fünf Ge-
nerationen bis in das beginnende 19. Jahrhundert folgen einander in dieser Position
prominente italienische Autoren, deren Tätigkeit in Wien einen entscheidenden
Abschnitt ihrer Karriere darstellt. In unterschiedlichen Konstellationen bringen
diese italienischen Hofdichter, welchen ein für die Übersetzung ihrer Werke verant-
wortlicher deutschsprachiger Schriftsteller zugeordnet wird, eine in ihrer Quantität
beeindruckende Anzahl von Werken (in den Jahren 1671–1700 im Durchschnitt 11
pro Jahr) hervor, die in ihren Inhalten und in ihrer stilistischen Qualität den in Ita-
lien verfassten Texten ohne jeden Zweifel gleichzusetzen sind.
Innerhalb dieser reichhaltigen Produktion stehen natürlich ab der Mitte des
17. Jahrhunderts auf Grund einer von Innsbruck aus einsetzenden, intensiven Re-
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549