Seite - 29 - in Die italienische Literatur in Österreich - Von den Anfängen bis 1797, Band I
Bild der Seite - 29 -
Text der Seite - 29 -
29Francesco
Petrarca in Prag
Im Herbst 1354 hält sich Kaiser Karl IV. (1316 –78, ab 1355 römischer Kaiser) für
einige Wochen in Mantua auf, wo er Mitte Dezember auch Petrarca empfängt und
von ihm Abschriften seiner Werke – vor allem von De viris illustribus – erbittet. Nach
offenkundig angeregten Diskussionen über den philosophischen Wert der Einsam-
keit (in Bezug auf De vita solitaria) schenkt Petrarca dem Kaiser einige seiner aus
Rom mitgebrachten römischen Münzen, um ihn symbolisch – wie schon in frühe-
ren Briefen (Fam. X.1 und Fam. XII.1) 10 – an seine Verpflichtungen gegenüber der
nominellen Hauptstadt seines Reiches zu erinnern. In Mantua macht Petrarca die
persönliche Bekanntschaft des Kanzlers Johannes von Neumarkt (= Jan ze Středy,
~1310–80, 1352–53 Bischof von Naumburg, 1353– 64 Bischof von Leitomischl,
1364–80 Bischof von Olmütz), mit dem er seit kurzer Zeit (vermutlich ab 1353,
Fam. X.6) einen von diesem angeregten Briefwechsel unterhält.
Petrarca kehrt am 27. Dezember 1354 nach Mailand zurück und ist mit größter
Wahrscheinlichkeit bei der Krönung von Karl IV. zum König von Italien am 6. Ja-
nuar 1355 in S. Ambrogio anwesend, denn am 12. Januar begleitet er den Kaiser auf
seiner weiteren Reise zur Krönung in Rom (am 5. April 1355) bis nach Piacenza.
Die Kontakte zum kaiserlichen Hof werden ab dem Jahr 1356 intensiver, in dem
Petrarca von Galeazzo und Bernabò Visconti zu Karl IV. geschickt wird, um Be-
drohungen durch lokale Konflikte in benachbarten Territorien (Bologna, Pavia und
Asti) abzuwenden. Am 20. Mai 1356 reist Petrarca nach Basel, weil er den Kaiser
dort anzutreffen hofft. Da sich das nach einem Monat als unmöglich herausstellt, be-
schließt er Mitte Juni mit seinem Freund Sagremor de Pommiers nach Prag zu rei-
sen, wo er Mitte Juli 1356 eintrifft. Leider beschränkt Petrarca seine Beschreibung
der ungefähr 20 Tage dauernden Reise auf literarische Klischees über die germani-
schen Wälder und die dort ihr Unwesen treibenden Räuberbanden (Sen. X.1), aber
er muss wohl den größten Teil der Strecke durch österreichische Länder gefahren
sein. Während des ungefähr einmonatigen Aufenthaltes in Prag trifft er seinen alten
Freund Johannes von Neumarkt, knüpft aber auch neue Kontakte, z.B. zu Kaiserin
Anna von Schweidnitz (1339–62, ab 1353 dritte Gemahlin von Karl IV.),11 zu Ernst
von Pardubitz (= Arnošt z Pardubic, 1297–1364, 1343–64 Erzbischof von Prag)12
und zu Johannes Očko von Wlašim (= Jan Očko z Vlašimi, † 1380, 1351–64 Bischof
von Olmütz, 1364–78 Erzbischof von Prag). Obwohl die diplomatische Mission zu
keinem konkreten Ergebnis führt, kann Petrarca zufrieden sein: als Zeichen seiner
10 Vgl. Paul Piur: Petrarcas Briefwechsel mit deutschen Zeitgenossen. Berlin 1933.
11 Vgl. Familiares XXI.8 (1358) mit dem Glückwunsch zur Geburt einer Tochter und einem Katalog der
berühmten Frauen des Altertums.
12 Vgl. Familiares XXI.1 (1357) und XXI.6 (1358).
Die italienische Literatur in Österreich
Von den Anfängen bis 1797, Band I
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die italienische Literatur in Österreich
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1797
- Band
- I
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78730-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 780
- Schlagwörter
- Italian Literature, Habsburg Monarchy, Libretto, Court Festivities
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Einführung 9
- I. Der italienische Humanismus in Österreich 27
- II. Der Petrarkismus und die Akademiebewegung in Österreich 79
- II.1 Petrarkismus und protestantischer Adel 81
- II.2 Die Rezeption der Madrigalistik an den Höfen 87
- II.3 Barocke Akademien 92
- III. Die religiöse Literatur von der Gegenreformation zur katholischen Frühaufklärung 99
- III.1 Reformorden aus Italien und ihre Volksmissionen 101
- III.2 Die kontemplative Literatur für Laien 114
- III.3 Die katholische Frühaufklärung 127
- IV. Die italienische Improvisationskomödie 135
- V. Die literarische Selbstdarstellung des Kaiserhofes im Barock 199
- V.1 Die Bedeutung der Historiographie 208
- V.2 Die Funktion der kaiserlichen Hofdichter 214
- V.3 Geistliche Musikdramen und Oratorien 218
- V.4 Die Rezeption des italienischen Musiktheaters zu Beginn des 17. Jahrhunderts 263
- V.5 Serenaden, Kammerfeste und andere Kleinformen 274
- V.6 Ballette und Einleitungen zu Balletten 293
- V.7 Aufzüge und Rossballette 302
- V.8 Musikalische Feste 305
- V.9 Faschingsopern 314
- V.10 Opern zu Geburts- und Namenstagen im Kaiserhaus 334
- V.11 Opern zu Geburten im Kaiserhaus 369
- V.12 Hochzeitsopern 375
- VI. Die italienische Aufklärung in Österreich 385
- VII. Von der Spätaufklärung zur Frühromantik 490
- VIII. Die Verbreitung der italienischen Literatur 531
- IX. Verzeichnis der Drucke 549